Mathias Sandorf
bereits seit drei Wochen in Monte Carlo. Sie verließen kaum die Spieltische des Clubs, versuchten die zweifelhaftesten Coups, besetzten die widerspänstigsten Felder, studirten die Drehungen des Cylinders der Roulette, denn in der letzten Viertelstunde des Dienstes ermattet gewöhnlich die Hand des Croupiers, sie rechneten das Maximum der durchaus nicht herauskommen wollenden Nummern aus, hörten die Rathschläge gedienter Schlepper an, welche zu Spielprofessoren geworden waren, machten allerhand nur mögliche Versuche und gebrauchten die nichtssagendsten Zauberformeln, welche den Spieler zwischen das Kind, welches seine Vernunft noch nicht hat, und den Idioten, der sie auf immer verloren, rangiren. Wenn man nur noch sein Geld auf’s Spiel gesetzt hätte, aber nein, man schwächte auch seinen Geist, indem man sich bemühte, die dümmsten Combinationen zu erfinden und man stellte seine persönliche Würde in dieser Vertraulichkeit bloß, welche das Zusammensein mit dieser gemischten Gesellschaft Allen auferlegt.
Kurz, in Folge jenes Abends, der im Kalender von Monte Carlo roth angestrichen werden sollte, in Folge ihres Eigensinnes, gegen eine Serie von siebzehnmal Roth im
Trente et Quarante
zu kämpfen, blieb den beiden Kumpanen nur die bescheidene Summe von zweimalhunderttausend Franken in Händen. Das heißt mit anderen Worten, das Elend nahte mit Riesenschritten.
Doch wenn sie auch beinahe ruinirt waren, so hatten sie doch noch nicht die Vernunft verloren, und während sie auf der Terrasse plauderten, konnten sie einen Spieler wahrnehmen, der mit entblößtem Haupte durch den Park lief und schrie:
»Er dreht sich noch!… Er dreht sich noch!«
Der Unglückliche bildete sich ein, er hätte auf eine Nummer gesetzt, die herauskommen sollte, doch der Cylinder habe, von einem phantastischen Taumel ergriffen, sich immer weiter gedreht und drehe sich noch bis ans Ende aller Dinge…. Der Aermste war wahnsinnig.
»Haben Sie sich endlich beruhigt, Silas? fragte Sarcany seinen Compagnon, der sich nicht mehr zu fassen wußte. Lernen Sie von diesem Unsinnigen, daß man nie den Kopf verlieren soll…. Wir haben kein Glück gehabt, das ist leider wahr, aber die Chance wird wieder eine günstigere für uns werden, weil sie es werden muß und ohne daß wir den Finger zu rühren brauchen…. Wir wollen uns gar nicht bemühen, die Chancen zu verbessern. Es ist dies gefährlich und übrigens unnütz…. Man kann einmal keine Karte anders schlagen lassen, wenn sie schlecht schlägt und ebenso wenig kann man sie anders fallen lassen, wenn sie sich günstig wendet…. Wir wollen unsere Zeit abwarten, und wenn sie da sein wird, so werden wir das Glück kühn an unser Spiel fesseln.«
Hörte Silas Toronthal diese Rathschläge – dumme Rathschläge, wie alle Begründungen, wenn es sich um ein Spiel des Zufalls handelt? Nein! Er war vollständig geknickt und hatte augenblicklich den einen Wunsch: der Herrschaft Sarcany’s entgehen, fliehen, so weit fliehen zu können, daß seine Vergangenheit sich nicht wieder an ihn wagen durfte. Doch solche Anfälle von eigenen Willensäußerungen konnten in diesem unselbständigen, haltlosen Gemüthe nicht lange anhalten.
Silas wurde überdies auch von seinem Complicen nicht aus den Augen gelassen. Ehe Sarcany ihn sich selbst überließ, mußte er seine Heirat mit Sarah vollzogen sehen. Dann wollte er sich von Silas Toronthal gern trennen, ihn vergessen und sich nicht einmal daran erinnern, daß dieses schwache Geschöpf jemals gelebt, daß Beide jemals ihre Hand in einer und derselben Sache im Spiele gehabt hätten. Bis dahin aber mußte der Banquier von ihm abhängig sein.
»Wir sind heute zu unglücklich gewesen, Silas, begann Sarcany von Neuem, als daß die Chancen für uns nicht bessere werden sollten…. Morgen muß uns das Glück hold sein!
– Und wenn ich das Wenige, was ich noch besitze, verliere? warf Silas Toronthal ein, der vergebens sich bemühte, den erbärmlichen Rathschlägen sein Ohr zu verschließen.
– So wird uns Sarah Toronthal noch erhalten bleiben, antwortete Sarcany lebhaft. Sie ist und bleibt das beste Atout in unserem Spiele. Es ist unmöglich, dieses zu übertrumpfen.
– Ja!… Morgen!… Morgen!« rief der Banquier, dessen Sinne sich in der Verfassung befanden, in welcher ein Spieler seinen Kopf riskirt.
Beide kehrten in ihr Hotel zurück, das halben Weges auf der Straße gelegen war, welche von Monte Carlo nach der Condamine hinabführt.
Der Hafen von
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