Mathias Sandorf
Monaco, den man vom Vorgebirge Focinana bis zum Fort Antoine rechnet, besteht aus einer ziemlich offenen Rhede, welche den nordöstlichen und südöstlichen Winden ausgesetzt ist. Er rundet sich zwischen dem Felsen, der die Hauptstadt des kleinen Fürstenthums trägt, und dem Plateau ab, auf welchem die Hotels, die Landhäuser und das Etablissement von Monte Carlo errichtet sind, am Fuße des herrlichen Mont Agal, dessen Gipfel in einer Höhe von elfhundert Metern einen großartigen Ueberblick über die Gestade Liguriens gewährt. Die von zwölfhundert Einwohnern bevölkerte Stadt ähnelt einem Tafelaufsatze, der auf den imposanten, von drei Seiten vom Meere bespülten Felsentisch von Monaco gestellt ist und fast verschwindet unter dem ewigen Grün der Palmen, Granaten, der Sycomoren, Pfefferbäume, Orangen, Citronen, Eucalypten, der Geraniumzwergbäume, Aloën, Myrthen, Mastixbäume, der Palme Christi, die hier und dort in einem wunderbaren Durcheinander erblühen.
Auf der anderen Seite des Hafens macht Monte Carlo der kleinen Hauptstadt Platz mit ihrem merkwürdigen Gemisch von Wohnhäusern, die sich über alle Vorsprünge des Berges ziehen, mit ihren schmalen, hügeligen, im Zick-Zack angelegten Straßen, die bis zur Straße der Corniche hinausführen, welche auf halber Höhe des Gebirges schwebt, mit ihrem Schachbrett von ewig blühenden Gärten, ihrem Panorama von Landhäusern jeden Styles, von Villen jeder Gattung, von denen einige buchstäblich über den stets klaren Wogen dieses Busens des Mittelmeeres hängen.
Zwischen Monaco und Monte Carlo, im Hintergrunde des Hafens, von der Küste bis zur Einengung des buchtenreichen Thales, welches die Gebirgsgruppe trennt, breitet sich eine dritte Stadt aus, die Condamine.
Ueber ihr zur Rechten erhebt sich ein wuchtiger Berg, sein dem Meere zugewendetes Profil hat ihm den Namen des Hundskopfes eingebracht. Auf diesem Kopfe, der fünfhundertzweiundvierzig Meter hoch ist, erhebt sich jetzt ein Fort, welches das Recht hat, sich für uneinnehmbar zu halten. Es bildet zugleich auf dieser Seite die Grenze des Fürstenthums Monaco.
Von der Condamine nach Monte Carlo können Wagen über eine herrliche Rampe passiren. Auf ihrem oberen Theile erheben sich abgesonderte Baulichkeiten und Hotels; in einem von diesen wohnten Silas Toronthal und Sarany. Von den Fenstern ihrer Zimmer konnte der Blick über die Condamine und bis über Monaco hinausschweifen. Der Hundskopfberg mit seinem Bulldoggesicht, der das Mittelländische Meer wie eine Sphinx die lybische Wüste zu befragen scheint, schnitt die weitere Fernsicht ab.
Sarcany und Silas Toronthal hatten sich in ihre Gemächer zurückgezogen. Dort legten sich Beide die Situation zurecht, natürlich Jeder von seinem Gesichtspunkte. Sollte es den Wechselfällen des Spieles gelingen, das Gemeinsame ihrer Interessen zu durchbrechen, welches sie nun schon seit fünfzehn Jahren so eng verband?
Sarcany fand in seinem Zimmer einen Brief vor, der aus Tetuan kam; er erbrach sofort das Siegel.
In wenigen Zeilen schrieb ihm Namir über zwei wichtige Dinge, welche sein höchstes Interesse herausforderten: erstens berichtete sie den Tod Carpena’s, der im Hafen von Ceuta im Anschluß an ganz eigenthümliche Vorfälle ertrunken war; sodann das Erscheinen des Doctors Antekirtt auf jenem Punkte der afrikanischen Küste, die Beziehungen, welche er zu dem Spanier gehabt hatte und sein unmittelbar darauf erfolgtes Verschwinden.
Als Sarcany den Brief gelesen, öffnete er das Fenster seines Zimmers. Sich über die Brüstung lehnend, bemühte er sich mit unstäten Blicken seine Gedanken zu sammeln.
»Carpena todt?… Gelegener konnte er wahrhaftig nicht sterben!… Jetzt sind seine Geheimnisse mit ihm ertrunken!… Von dieser Seite also habe ich nichts zu befürchten!… In dieser Beziehung kann ich nun beruhigt sein!…«
Jetzt bleiben mir nur noch knapp zweimalhunderttausend Franken. (S. 434.)
Dann wendeten sich seine Gedanken dem zweiten Theile des Briefes zu:
»Um so bedenklicher ist das Erscheinen des Doctors Antekirtt in Ceuta!… Wer mag dieser Mann eigentlich sein?… Ich würde im Grunde genommen nach Allem, was bisher geschehen, wenig überrascht sein, wenn ich finden würde, daß dieser Doctor bei allen mich angehenden Dingen mehr oder weniger die Hand im Spiele hat…. In Ragusa hatte er Beziehungen zu der Familie Bathory!… In Catania stellte er Zirone einen Hinterhalt!… In Ceuta war es wahrscheinlich seine Einmischung,
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