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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der herrliche Golf, dessen sämmtliche Vorgebirge, Kaps, Bergzüge in Ermangelung von Ruinen mit geschichtlichen Erinnerungen bedacht sind.
    Neben den Palästen und Landhäusern, welche sich bis an die Stelle der alten Kriegs-und Handelshäfen hin erheben, findet man auch hier und dort, in den Falten der Hügel verstreut, inmitten der Steingerölle auf einem grauen und der Cultur fast unzugänglichen Boden, elende Häuschen, in denen die Armen der Umgebung wohnen. Die Meisten von ihnen kennen kein anderes Gewerbe, als auf der Erdoberfläche oder innerhalb der obersten Bodenlage mehr oder weniger kostbare Scherben aus der carthaginiensischen Zeit, Bronzen, Edelsteine, Töpfereien, Medaillen, Geldstücke zu suchen, die das Kloster ihnen für sein archäologisches Museum gern abkauft – weit mehr aus Mitleid als aus Bedürfniß.
    Einige dieser Unterschlüpfe haben nur zwei oder drei Mauerwände. Man könnte sie Ruinen von Marabuts nennen, die in dem Klima dieses sonnenreichen Gestades weiß geblieben sind.
    Der Doctor und seine Gefährten fuhren von einem dieser Häuschen zum anderen und besichtigten sie alle; sie suchten die Behausung von Frau Bathory, mochten aber nicht glauben, daß sie bis zu diesem Grade des Elends gesunken war.
    Plötzlich hielt der Wagen vor einer zerfetzten Behausung, deren Thür nur einem Loche glich, das in die halb von dem Grün der Pflanzen verdeckte Mauer gestoßen war.
    Eine alte Frau, deren Kopf eine schwarze Kappe bedeckte, saß vor dieser Thür.
    Peter hatte sie sofort wiedererkannt! – Er hatte einen Schrei ausgestoßen!… Es war seine Mutter!… Er stürzte zu ihr, ließ sich vor ihr auf die Knie nieder und schloß sie in seine Arme…. Doch sie erwiderte nicht seine Liebkosungen, sie schien ihn nicht wiederzuerkennen.
    »Mutter!… Mutter!« rief er, während der Doctor, Luigi, seine Schwester sich um sie drängten.
    Um die Ecke der Ruine trat in diesem Augenblicke ein Greis.
    Es war Borik.
    Er erkannte zuerst den Doctor Antekirtt und seine Knie beugten sich. Dann bemerkte er Peter… Peter, dessen Leichenzuge er bis auf den Friedhof von Ragusa gefolgt war…. Das war zu viel für ihn. Er fiel, ohne eine Bewegung von sich zu geben, um, nur seine Lippen stammelten noch die Worte:
    »Sie hat keinen Verstand mehr!«
    Jetzt, wo der Sohn seine Mutter wiederfand, war nur noch ein träger, bewußtlos handelnder Körper von ihr übrig. Der Anblick ihres Kindes, das sie todt glauben mußte, welches plötzlich vor ihren Augen auftauchte, war nicht einmal im Stande, ihr die Erinnerung an die Vergangenheit wiederzugeben… Frau Bathory hatte sich erhoben, ihre Augen blickten verstört, aber noch lebhaft. Ohne irgend etwas gesehen, ohne ein Wort gesprochen zu haben, ging sie in den Marabut zurück, wohin ihr Maria auf einen Wink des Doctors folgte.
    Peter war unbeweglich vor der Thür stehen geblieben, er war unfähig und wagte nicht einen Schritt zu thun.
    Inzwischen hatte Borik durch die Bemühungen des Doctors sein Bewußtsein wiedererlangt.
    »Sie, Herr Peter, Sie… am Leben! rief er aus.
    – Ja, antwortete dieser, ja, lebend… wenngleich ich wünschte, todt zu sein!«
    Der Doctor klärte mit wenigen Worten Borik über die Vorgänge in Ragusa auf. Dann erzählte der alte Diener seinerseits unter großer Anstrengung von den zwei Monaten ihres Elends.
    »Vor allen Dingen, fragte der Doctor zunächst, hat der Tod ihres Sohnes Frau Bathory um den Verstand gebracht?
    – Nein, Herr, nein,« antwortete Borik.
    Er erzählte Folgendes.
    Frau Bathory, die damals allein auf Erden stand, hatte Ragusa verlassen wollen, um sich in dem Dorfe Vinticello niederzulassen, woselbst noch einige Glieder ihrer Familie wohnten. Während dieser Zeit war man darauf bedacht, das Wenige zu veräußern, was noch in dem kleinen Hause ihr Eigenthum war, denn sie wollte es nicht länger bewohnen.
    Sie kam deshalb sechs Wochen später in Borik’s Begleitung nach Ragusa zurück, um ihre Geschäfte abzuwickeln, und als sie in der Marinella-Straße angelangt war, fand sie in dem Briefkasten am Hause ein Schreiben vor.
    Sie las diesen Brief und stieß einen Schrei aus, gerade so, als ob der Inhalt ihrer Vernunft den ersten Stoß gegeben hätte, dann eilte sie die Straße hinunter in den Stradone, überschritt diesen und klopfte an die Thür des Hotels Toronthal, welche sich sofort öffnete.
    »Des Hotels Toronthal? rief Peter.
    – Ja! erwiderte Borik, und als ich Frau Bathory eingeholt hatte, erkannte sie mich nicht

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