Mathias Sandorf
der Lampe hell beschienen war, und zog sich dann jäh zurück.
Maria, die dicht an sie herangetreten war, hörte sie mehrfach einen Namen aussprechen.
Es war das erste Mal seit langer Zeit, daß die Lippen Frau Bathory’s sich zum Sprechen öffneten.
Doch wie groß war das Erstaunen – die Bestürzung möchte man fast sagen – aller Derjenigen, die sie sprechen hörten.
Dieser Name war nicht derjenige ihres Sohnes, war nicht derjenige Peter’s, sondern der Name – Sarah’s!
Wer vermag zu begreifen, was in der Seele Peter Bathory’s widerhallte, wer vermag zu malen, was in dem Herzen des Doctors Antekirtt bei der so unerwartet kommenden Nennung des Namens von Sarah Toronthal vorging? Der Letztere machte keine Bemerkung, er ließ nicht erkennen, was er soeben gefühlt.
An einem anderen Abend wurde der Versuch wiederholt. Diesmal kniete Frau Bathory selbst auf der Schwelle zur Kapelle nieder, gerade als ob sie eine unsichtbare Hand geleitet hätte. Ihr Kopf beugte sich, ein Seufzer entrann ihrer Brust, eine Thräne entfiel ihren Augen. An diesem Abende aber entschlüpfte kein Name ihren Lippen, man hätte annehmen müssen, daß sie denjenigen Sarah’s wieder vergessen.
Frau Bathory, als sie kaum wieder im Stadthause angelangt war, wurde eine Beute eines jener nervösen Anfälle, welche sie bis jetzt noch nie gezeigt hatte. Gerade die bisher gezeigte Ruhe war das Charakteristische an ihrem geistigen Zustande gewesen; sie machte einer eigenthümlichen Erregung Platz. Es ging augenscheinlich in ihrem Gehirn eine lebenswarme Regung vor, welche wohl Hoffnungen erwecken konnte.
Die diesem Abende folgende Nacht wurde eine unruhige und vielfach gestörte. Frau Bathory ließ einige Male zusammenhangslose Worte hören, die Maria kaum erfaßte, ersichtlich träumte sie. Und wenn sie träumte, begann die Vernunft zurückzukehren, mit anderen Worten sie war geheilt, sobald ihre Vernunft auch im wachen Zustande in Thätigkeit blieb.
Der Doctor entschloß sich daher, vom folgenden Tage an einen neuen Versuch zu machen, damit, daß er Frau Bathory in eine noch ergreifendere Scenerie führte.
Während des ganzen achtzehnten hörte Frau Bathory nicht auf, unter der Herrschaft einer intellectuellen Ueberreizung zu stehen. Maria war davon sehr betroffen und Peter, der fast ununterbrochen bei seiner Mutter weilte, hatte das Gefühl einer glücklichen Vorbedeutung.
Die Nacht kam herbei – eine dunkle, windstille Nacht nach einem Tage, der unter diesem niedrigen Breitengrade von Antekirtta sehr heiß gewesen war.
Frau Bathory, von Maria und Borik begleitet, verließ das Stadthaus gegen achtundeinhalb Uhr. Der Doctor folgte ihnen in einiger Entfernung mit Luigi und Pointe Pescade.
Die ganze Kolonie befand sich in angstvoller Erwartung der Wirkung, die sich vielleicht einstellen würde. Einige Fackeln, die unter den großen Bäumen angezündet worden waren, warfen ihr wechselndes Licht auf die Umgebung der Kapelle. In der Ferne erklang in regelmäßigen Intervallen die Glocke der Kirche von Artenak, als würde Jemand begraben.
Peter Bathory war der Einzige, der in dem langsam vorwärts schreitenden Zuge fehlte. Er war zurückgeblieben, um erst im Verlaufe dieser stärksten Prüfung aufzutreten.
Es war gegen neun Uhr, als Frau Bathory auf dem Kirchhofe eintraf. Hier verließ sie plötzlich den Arm Maria Ferrato’s und ging auf die kleine Kapelle zu.
Man ließ sie unter dem Zwange dieses neuen Gefühles, welches sie vollständig zu beherrschen schien, frei handeln.
Inmitten eines tiefen Schweigens, welches nur von den Klängen der Glocke unterbrochen wurde, machte Frau Bathory Halt, sie blieb unbeweglich stehen. Dann ließ sie sich auf der untersten Stufe auf die Knie nieder, sie beugte sich vornüber und man hörte sie weinen….
In diesem Augenblick öffnete sich langsam das Gitterthor der Kapelle. Mit einem weißen Leinen angethan, als wäre er soeben dem Sarge entstiegen, schritt Peter, vom vollen Lichte getroffen, die Stufen herab.
»Mein Sohn… mein Sohn!« rief Frau Bathory; sie streckte ihre Arme aus und fiel ohnmächtig zurück.
Dieser Anfall besagte nichts; denn die Erinnerung und das Denken mußten ihr wiederkommen. Die Mutter war erwacht. Sie hatte ihren Sohn wiedererkannt.
Die Bemühungen des Doctors brachten sie bald zum Bewußtsein zurück und als ihre Augen die des Sohnes gesucht und getroffen hatten, rief sie:
»Peter! Du lebst?… Peter, mein Peter!
– Ja… ich lebe für Dich, meine Mutter,
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