Mathias Sandorf
lebe um Dich zu lieben!
– Und um auch – sie – zu lieben…
– Sie?
– Sie!… Sarah!…
– Sarah Toronthal? rief der Doctor.
– Nein! Sarah Sandorf!«
– Und Frau Bathory zog aus ihrer Tasche einen zerknitterten Brief, welcher die letzten Zeilen von der Hand der sterbenden Frau Toronthal enthielt; sie reichte ihn dem Doctor.
Die Zeilen ließen über die Geburt Sarah’s keinen Zweifel aufkommen… Sarah war das Kind, welches man aus dem Schlosse Artenak geraubt hatte!… Sarah war die Tochter des Grafen Sandorf.
Ende des vierten Theiles.
Fünfter Theil.
Erstes Capitel.
Ein Händedruck Kap Matifu’s.
Wenn Graf Mathias, wie man weiß, der Doctor Antekirtt, wenn auch nicht für Peter, so doch für das ganze Personal der Kolonie bleiben wollte, so geschah es deshalb, weil er bis zur völligen Durchführung aller seiner Pläne nur der Doctor Antekirtt sein wollte. Deshalb hatte er, als der Name seiner Tochter von Frau Bathory so plötzlich ausgesprochen wurde, noch genug Herrschaft über sich selbst, seine Bewegung nicht zu verrathen. Sein Herz aber hatte doch für einen Augenblick zu schlagen aufgehört und wäre er nicht ein so großer Meister seiner selbst gewesen, wäre er zweifellos auf die Stufen der Kapelle niedergestürzt, als wenn ihn ein Blitzstrahl getroffen hätte.
Seine Tochter war also noch am Leben! Sie also liebte Peter und er wurde von ihr wiedergeliebt. Und er selbst, Mathias Sandorf, hatte alles Mögliche gethan, das Zustandekommen der Verbindung zu hindern. Dieses Geheimniß, welches ihm Sarah wiederschenkte, wäre nie entdeckt worden, wenn nicht Frau Bathory wie durch ein Wunder ihren Verstand wiedergefunden hätte.
Was war vor fünfzehn Jahren im Schlosse Artenak geschehen? Man wußte es jetzt nur zu gut! Dieses Mädchen, welches die einzige Erbin der Güter des Grafen Mathias Sandorf geblieben war, dieses Kind, dessen Tod niemals constatirt werden konnte, war entführt und Silas Toronthal in die Hände gespielt worden. Einige Zeit später, als der Banquier sich in Ragusa niedergelassen hatte, hatte Frau Toronthal Sarah Sandorf als ihre Tochter erziehen müssen.
Nunmehr war die von Sarcany ausgeklügelte und von seiner Helferin Namir aufgeführte Machination aus Licht gekommen. Sarcany war es wohl bekannt, daß Sarah im Alter von achtzehn Jahren in den Besitz eines bedeutenden Vermögens kommen würde und er wollte sie, sobald sie seine Frau geworden sein sollte, als die Erbin der Sandorf’s anerkennen lassen. Dieser Triumph sollte die Krone seines abscheulichen Lebenswandels bilden. Er wollte Herr über die Domänen von Schloß Artenak werden.
War dieser Plan bis dahin mißglückt? Ja, jedenfalls. Wenn die Heirat vollzogen worden wäre, hätte Sarcany sich schon beeilt, alle seine Vortheile zu wahren.
Mußte sich nicht Doctor Antekirtt jetzt Gewissensbisse machen? War er es nicht gewesen, der diese unselige Kette von Vorgängen heraufbeschworen hatte, erst die Verweigerung seiner Unterstützung Peter’s, dann indem er Sarcany ruhig seine Pläne verfolgen ließ, obwohl er recht wohl bei ihrem Zusammentreffen in Cattaro ihn hätte unschädlich machen können, schließlich dadurch, daß er Frau Bathory den Sohn vorenthielt, welchen er dem Tode entrissen hatte? Wie großes Unglück wäre nicht vermieden worden, wenn Peter sich bei seiner Mutter befunden hätte, als der Brief Frau Toronthal’s in dem Hause der Marinella-Straße eintraf? Hätte Peter gewußt, daß Sarah die Tochter des Grafen Sandorf war, würde er es nicht verstanden haben, sich den Gehässigkeiten Sarcany’s und Silas Toronthal’s zu entziehen?
Wo befand sich jetzt Sarah Toronthal? Zweifellos in der Gewalt Sarcany’s. Doch wo mochte dieser sie versteckt halten? Wie sie ihm entreißen? Und überdies hatte in wenigen Wochen die Tochter des Grafen Sandorf ihr achtzehntes Lebensjahr erreicht – die gesetzlich bestimmte Grenze, falls sie nicht ihrer Ansprüche als Erbin verlustig gehen wollte – und dieser Umstand mußte Sarcany zwingen, alles Mögliche aufzubieten, um Sarah zu einer Einwilligung zu dieser verwünschten Heirat zu zwingen.
Im Nu hatte dieser Hergang der Ereignisse den Sinn des Doctors Antekirtt durchzogen. Nach dieser Zurechtlegung der Vergangenheit, wie es Frau Bathory und Peter in ähnlicher Weise thaten, fühlte er die jedenfalls unverdienten Vorwürfe, welche die Frau und der Sohn Stephan Bathory’s ihm zu machen versucht sein mußten. Denn, wenn die Dinge wirklich so gelegen
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