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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Nebenbuhler darin zu befürchten.
    Ein letzter Trick sollte die Begeisterung der die europäischen Künstler umgebenden kosmopolitischen Menge auf die Spitze treiben. Er wird häufig in den Arenen Europas gezeigt, doch den tripolitanischen Gaffern war er jedenfalls noch unbekannt.
    Die Zuschauer drängten so dicht als möglich an die beiden Akrobaten heran, die beim Scheine der Fackeln »arbeiteten«, um nichts von ihren Künsten zu verlieren.
    Kap Matifu ergriff eine fünfundzwanzig bis dreißig Fuß lange Stange und hielt sie vertical mit seinen fest auf die Brust gestemmten Fäusten. An der Spitze dieser Stange, auf welche Pointe Pescade mit affenartiger Geschwindigkeit geklettert war, balancirte dieser in ausnehmend kühnen Stellungen, während er das obere Ende dadurch in beunruhigender Weise herunterbog.
    Kap Matifu jedoch stand unerschütterlich; er fußte nur langsam hin und her, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Gerade als er sich dicht an der Mauer des Hauses von Sidi Hazam befand, hatte er noch die Kraft, die Stange auf Armeslänge von sich abzuhalten, während Pointe Pescade in der Haltung eines Siegers dem Publikum Kußfinger zuwarf.
    Die durchaus bezauberte Menge der Araber und Neger heulte, klatschte in die Hände und trampelte mit den Füßen. Niemals hatte der Samson der Wüste, der unbeugsame Mustapha, der Kühnste der Tuaregs, sich zu einer solchen Leistung aufgeschwungen.
    Plötzlich tönte ein zweiter Kanonenschuß von den Wällen der Festung Tripoli hinüber. Bei diesem Zeichen erhoben sich die plötzlich aus den Netzen, in denen sie gefangen gehalten worden waren, losgelassenen hunderte von Störchen in die Lüfte und ein Hagel falscher Steine prasselte auf die Ebene herunter inmitten des betäubenden Concerts überirdischen Geklappers, das mit nicht weniger großer Heftigkeit gegen das irdische Getöse ankämpfte.
    Damit war der Höhepunkt des Festes erreicht, der Paroxismus stieg auf den Gipfel. Man konnte dreist behaupten, daß alle Irrenhäuser der Erde ihre Insassen auf die Ebene von Sung-Ettelateh bei Tripolis ausgespieen hätten.
    Nur die Behausung des Moqaddem war, als wenn man in ihr taub und stumm gewesen wäre, während der Stunden allgemeinen Vergnügtseins nicht geöffnet worden, kein Einziger der Anhänger des Sidi Hazam hatte sich an der Thür oder auf den Terrassen gezeigt.
    Aber o Wunder! Gerade als die Fackeln nach dem Aufsteigen der Störche plötzlich erloschen, war auch Pointe Pescade plötzlich verschwunden, gerade als wenn er mit den treuen Thieren des Propheten Suleyman den Flug in die Lüfte gemacht hätte.
    Was war aus ihm geworden?
    Kap Matifu sah nicht so aus, als ob er gerade sehr besorgt wegen dieses Ereignisses wäre. Nachdem er seine Stange fortgeschnellt hatte, fing er sie an ihrem anderen Ende wieder auf und ließ sie, wie ein Tambourmajor, um die Finger wirbeln. Das Verschwinden Pointe Pescade’s schien für ihn das natürlichste Ding auf Erden zu sein.
    Das Erstaunen der Zuschauer war natürlich nun noch ein größeres und ihr Enthusiasmus endete in einem so brausenden Hurrah, daß man es über den Saum der Oase hinaus noch hörte. Keiner von ihnen zweifelte daran, daß der Akrobat einen kleinen Ausflug durch die Lüfte in das Königreich der Störche gemacht habe.
    Hat nicht das Unerklärliche stets den größten Reiz für die große Menge?
Drittes Capitel.
Das Haus des Sidi Hazam.
    Es ging auf neun Uhr. Musketenfeuer, Gelärm, Musik, Alles war plötzlich verstummt. Die Menge begann sich zu verlaufen. Die Einen kehrten nach Tripoli zurück, die Anderen suchten die Oase von Mendsehje und die benachbarten Ortschaften zu erreichen. Ehe eine Stunde um war, lag die Ebene von Sung-Ettelateh schweigsam und verlassen da. Die Zelte waren zusammengelegt, die Lagerstätten abgebrochen worden, die Neger und Araber hatten sich schon auf den Marsch nach ihren Provinzen in Tripolis gemacht, während die Senusisten sich der Cyrrhenäischen Halbinsel und namenlich Ben-Ghazi zuwendeten, woselbst sich alle Streitkräfte des Khalifen sammeln sollten.
    Der Doctor Antekirtt, Peter und Luigi nur beabsichtigen den Platz während der ganzen Nacht nicht zu verlassen. Auf jedes Ereigniß seit dem Verschwinden Pointe Pescade’s gefaßt, hatte Jeder von ihnen alsbald seinen Beobachtungsposten am Fuße der Mauern des Hauses von Sidi Hazam selbst gewählt.
    Pointe Pescade, der mit einem staunenswerthen Satze in dem Augenblick als Kap Matifu die Stange mit gestreckten Armen hielt,

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