Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Ruhe einer überlegenden Natur. Es kennzeichnete Alles an ihr eine Energie, die ihr in keiner Lage des Lebens, wohin sie auch das Schicksal warf, abgehen konnte. Ihre Hand war schon mehrfach von jungen Fischern des Landes erstrebt worden, doch bisher wollte sie von einer Verheiratung nichts wissen. Ihr ganzes Leben gehörte ihrem Vater und dem Knaben, der ihr aus Herz gewachsen war.
    Luigi seinerseits war ein entschlossener, aufmerksamer, arbeitslustiger Junge und schon an das Seemannsleben gewöhnt. Er begleitete Andrea Ferrato auf den Fischfang und auf die Lootsenfahrten mit bloßem Kopfe bei Wind und Wetter. Er versprach, später ein kräftiger, gesunder, gut gebauter, überkühner, fast waghalsiger, aller Gefahren und aller Unwetter spottender Mann zu werden. Er liebte seinen Vater und betete seine Schwester an.
    Graf Sandorf hatte diese drei Wesen, welche eine so rührende Neigung mit einander verband, aufmerksam beobachtet. Es schien ihm unzweifelhaft, daß er sich bei braven Leuten befand, denen er sich anvertrauen konnte. Als das Mahl beendet war, erhob sich Andrea Ferrato und näherte sich dem Grafen.
    »Gehen Sie schlafen, meine Herren! meinte er gelassen. Niemand vermuthet Sie hier. Morgen wollen wir weiter überlegen.
    – Nein, Andrea Ferrato, nein! erwiderte Mathias Sandorf. Jetzt ist unser Hunger gestillt. Wir besitzen wieder unsere Kräfte. Laßt uns das Haus sofort wieder verlassen, denn unsere Gegenwart bildet eine zu große Gefahr für Euch und die Euren!
    – Ja, wir wollen aufbrechen, fügte Stephan Bathory hinzu. Gott möge Euch vergelten, was Ihr an uns gethan habt!
    – Gehen Sie zu Bett, es muß sein! erwiderte der Fischer. Die Küste wird heute Abend bewacht. Man hat über alle Häfen die Sperre verhängt. Man kann in dieser Nacht nichts unternehmen.
    – Es sei, da Ihr es wollt! antwortete ihm Mathias Sandorf.
    – Ich will es!
    – Eine Frage noch: Seit wann ist unsere Flucht bekannt?
    – Seit heute Morgen. Doch, Sie waren zu Vieren im Thurme von Pisino. Sie sind jetzt nur Zwei. Der Dritte soll, wie man sagt, in Freiheit gesetzt sein…
    – Sarcany! rief Mathias Sandorf, den Zorn bemeisternd, der sich mächtig in ihm regte, als er diesen verwünschten Namen hörte.
    – Und der Vierte…? fragte Stephan Bathory, ohne zu wagen, den Satz zu Ende zu sprechen.
    – Der Vierte ist noch am Leben, antwortete Andrea Ferrato. Die Hinrichtung ist aufgeschoben worden.
    – Er lebt! rief Stephan Bathory.
    – Ja, meinte Mathias Sandorf ironisch, man will warten, bis man uns wieder hat, um uns die Freude zu bereiten, gemeinsam sterben zu können.
    – Maria, sagte Andrea, führe unsere Gäste in das nach hinten hinaus über der Umzäunung gelegene Zimmer, doch ohne Licht. Es ist nicht nöthig, daß man heute Abend das Fenster von außen erleuchtet sieht. Du kannst Dich ebenfalls schlafen legen. Luigi und ich werden wachen.
    – Gut, Vater, sagte der Knabe.
    – Kommen Sie, meine Herren!« sagte das junge Mädchen.
    Graf Sandorf und sein Gefährte wechselten einen kräftigen Händedruck mit dem Fischer. Sie gingen in das ihnen bezeichnete Zimmer und fanden daselbst zwei gute Maismatratzen, die ihnen nach den ausgestandenen Strapazen willkommen waren.
    Andrea Ferrato hatte inzwischen mit seinem Sohne das Haus verlassen. Er wollte sich überführen, ob Jemand in der Umgebung, am Ufer oder jenseits des Baches umher lungerte. Er fand Niemand. Die Flüchtlinge konnten also bis zum Anbruche des Tages in Frieden ruhen.
    Die Nacht verfloß ohne jeden Zwischenfall. Der Fischer war noch mehrere Male aus dem Hause getreten. Er hatte nichts Verdächtiges gesehen.
    Am nächsten Tage, dem 18. Juni, ging Andrea, während seine Gäste noch schliefen, bis mitten in die Stadt hinein und auf die Hafenquais, um Erkundigungen einzuziehen. An einzelnen Stellen fand er Ansammlungen von Neugierigen und Plaudernden vor Das Plakat, welches seit dem frühen Morgen ausgehängt war und das die Flacht, die Androhung der Strafe, die versprochene Belohnung zur Kenntniß brachte, bildete überall den Gegenstand der Unterhaltung. Man schwatzte, man erzählte sich Neuigkeiten und man wiederholte Gerüchte in unbestimmten Ausdrücken, die nichts besagten. Nichts verlautete, daß Graf Sandorf und sein Gefährte in den Umgebungen der Stadt gesehen worden waren, man argwöhnte nicht einmal ihre Anwesenheit in der Provinz. Gegen zehn Uhr aber, als der Wachtmeister der Gensdarmerie und seine Leute von ihrem nächtlichen Streifzuge nach

Weitere Kostenlose Bücher