Mathias Sandorf
zu ihnen zu gelangen, als das Urtheil gefällt worden war.
Stephan Bathory genoß also auch nicht einmal das Wiedersehen mit Frau und Sohn als letzten Trost. Er konnte ihnen nicht die Namen der Verräther nennen, die jetzt auch der Vergeltung seitens Mathias Sandorf’s entgangen waren.
Stephan Bathory und Ladislaus Zathmar wurden um 5 Uhr Nachmittags auf dem Hofe der Festung standrechtlich erschossen. Sie starben als Männer, die für ihr Vaterland in den Tod gegangen waren.
Silas Toronthal und Sarcany konnten sich von jeder späteren Heimsuchung unbehelligt wähnen. Das Geheimniß ihres Verrathes war wirklich nur ihnen Beiden und dem Gouverneur von Triest bekannt – eines Verrathes, der mit der Hälfte des Vermögens von Mathias Sandorf belohnt wurde; die andere Hälfte wurde als besonderes Zeichen Allerhöchster Gnade für die Erbin des Grafen bis zu deren achtzehnten Lebensjahre aufbewahrt.
Silas Toronthal und Sarcany, denen Gewissensbisse fremd waren, konnten sich in Frieden der durch ihren abscheulichen Verrath erworbenen Reichthümer erfreuen.
Auch ein dritter Verräther schien nichts mehr zu befürchten zu haben: dem Spanier Carpena waren die für die Entdeckung der Flüchtigen ausgesetzten fünftausend Gulden ausbezahlt worden.
Doch während der Banquier und sein Mitschuldiger erhobenen Hauptes in Triest umherwandeln konnten, da ihr Geheimniß bewahrt geblieben war, mußte Carpena unter der Last der ihm öffentlich gezeigten Mißachtung Rovigno – wer weiß, wohin er ging – verlassen. Was that das ihm! Er hatte nichts, nicht einmal die Rache von Andrea Ferrato zu befürchten.
Denn der Fischer wurde eingekerkert, ihm der Proceß gemacht und er zu lebenslänglicher Sträflingsarbeit verurtheilt, weil er den Flüchtigen Obdach gewährt hatte. Maria stand jetzt mit ihrem Bruder Luigi allein in dem Hause, dem der Ernährer für immer entrissen worden war und das nackte Elend erwartete sie.
Drei niedrige Charaktere waren es, die lediglich aus habsüchtigen Interessen, ohne daß eine Spur des Hasses in ihnen gegen ihre Opfer gelebt hätte – Carpena vielleicht ausgenommen – vor diesem gemeinen Streiche nicht zurückgeschreckt waren, der Eine, um seine verwickelten Verhältnisse aufzubessern, der Andere, um sich Reichthümer zu verschaffen.
Sollte dieser Bubenstreich auf Erden wirklich ungeahndet bleiben, wo sich die Gerechtigkeit Gottes noch stets gezeigt hat? Mathias Sandorf, Stephan Bathory, Ladislaus Zathmar, diesen drei Freunden ihres Vaterlandes, Andrea Ferrato, diesem niedriggeborenen, aber edelmüthigen Manne – sollten ihnen niemals Rächer erstehen?
Die Zukunft nur konnte darauf die Antwort geben….
Ende des ersten Theiles.
Zweiter Theil.
Erstes Capitel.
Pescade und Matifu.
Fünfzehn Jahre nach den Ereignissen, welche die Einleitung zu nachfolgender Geschichte bilden, am 24. Mai 1882, war Jahrmarkt in Ragusa, einer der bedeutendsten Städte in den dalmatinischen Provinzen.
Dalmatien ist nur eine schmale, geschickt zwischen dem nördlichen Theile der Dinarischen Alpen, der Herzegowina und dem Adriatischen Meere eingeschobene Landenge. Es ist dort gerade noch Raum genug für eine ziemlich eng sitzende Bevölkerung von vier-bis fünfmalhunderttausend Seelen.
Ein schöner Menschenschlag sind diese Dalmatiner, nüchtern, trotzdem ihr Land, dem das befruchtende Erdreich fehlt, ein dürres ist, stolz inmitten der zahlreichen politischen Verwandlungen, die sie erlitten, trotzig gegen Oesterreich, an welches sie durch den Vertrag von Campo Formio im Jahre 1815 kamen, schließlich über alle Maßen ehrenhaft; es paßt auf ihr Land die von Herrn Yriarte gebrauchte hübsche Bezeichnung eines »Landes der Thüren ohne Schlösser«.
In vier Kreise ist Dalmatien eingetheilt und diese wiederum theilen sich in einzelne Districte: die ersteren sind die von Zara, Spalato, Cattaro und Ragusa. In Zara, als der Hauptstadt der Provinz, ist der Sitz des Generalgouverneurs. In Zara tritt auch der Landtag zusammen, von dem einzelne Mitglieder zum Herrenhause in Wien gehören.
Die Zeiten haben sich seit dem sechzehnten Jahrhundert sehr geändert. Damals setzten noch die Usoken, türkische Flüchtlinge, dieses Meer in Schrecken und führten offenen Krieg mit den Muselmännern wie mit den Christen, mit dem Sultan wie mit der Republik Venedig. Die Usoken sind heute verschwunden und man findet Spuren von ihnen nur noch in Krain. Die Adria ist heute ein ebenso sicheres Gewässer wie irgend ein anderer Theil
Weitere Kostenlose Bücher