Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
Schritt neben mir. Seine Stimme klang rau. »Du warst heute in der Schule auch schon so anders, Mathilda. Sag mir bitte, was ist.« Er blieb vor mir stehen und sah mich an. Bittend. Mit seinen unglaublichen Augen. Auch ein bisschen unsicher.
Etwas in mir schmolz, wie eben die Schneeflocken auf meiner Jacke. Schon löste sich mein Vorsatz fast in Luft auf. Vielleicht war es wirklich zu gemein, was ich vorhatte?, überlegte ich. Einen Moment lang wollte ich einfach nur, dass alles zwischen uns wieder so war wie sonst. Aber dann dachte ich: STOPP , Mathilda! Hast du etwa schon alles vergessen? Du hast es selbst gehört. Mats will nichts von dir. Er findet dich kleinkindhaft und hat dich vor all seinen Freunden lächerlich gemacht. Seinetwegen hattest du den schlimmsten Tag aller Zeiten. Das reichte. Wie von selbst strafften sich meine Schultern. Mit erhobenem Kinn erwiderte ich knapp: »Ich weiß nicht, was du meinst, Mats«, und ging auf meinen Platz.
»Wirklich?«, fragte Mats, nicht besonders überzeugt, während er seinen Notenständer aufklappte und die Notenblätter darauflegte. Statt einer Antwort setzte ich mich, nahm meine Gitarre und stimmte sie. Pauline am Klavier gab einen Ton vor. Auch Mats spielte sein Saxophon.
Nach und nach kamen die alten Leute in den Saal. Stühle wurden gerückt, Rollstühle und Rollatoren geparkt und das Getuschel verstummte, als der Heimleiter uns vorstellte und im Anschluss an unsere Lieder den Besuch des Nikolaus ankündigte. Dann wurde das Licht im Saal gelöscht. Nur ein paar Strahler tauchten uns in helle Lichtkegel. In einem davon, gleich neben mir, leuchteten Mats’ dunkelrote Haare hervor, während sein Gesicht blass war.
Unsere Musiklehrerin stellte sich vor uns hin und hob den Taktstock. Wir begannen mit »Niklaus, komm in unser Haus«, ein Stück, das ich im Schlaf spielen kann. Aber nicht heute. Mit Absicht verpatzte ich meine Einsätze. Mats versuchte zwar stets, sich dem Tempo der Gitarre anzupassen, doch das Stück war nicht mehr zu retten. Es ging mit einem Missklang zu Ende. Die alten Leute klatschten trotzdem Beifall.
Vom Klavier aus warf mir Pauline einen raschen Blick zu. Ob sie wohl etwas ahnte? Aber, so dachte ich, immerhin konnte ja jeder mal einen schlechten Tag haben.
Schon spielten wir das nächste Lied. Die erste Strophe von ›Lasst uns froh und munter sein‹ ertönte. Viele der alten Leute sangen begeistert mit. Von wegen froh dachte ich, während mir rein zufällig der Fuß ausrutschte und gegen den Notenständer von Mats stieß. Rasselnd kippte das Ding auf das Parkett und die Notenblätter schwebten raschelnd über den Boden. Falls jemand zuvor heimlich im Saal ein Nickerchen gehalten hatte, war er nun jedenfalls wach.
Mats war nicht mehr blass, sondern knallrot. Hastig sprang er auf und sammelte seine Notenblätter ein. »Entschuldigung«, sagte er verlegen zum Publikum, um dann seinen Notenständer wieder aufzustellen. Doch weil ihm die Hände so zitterten, fielen ihm die Notenblätter aus der Hand und schwebten wieder über das Parkett.
Sara legte ihre Klarinette hin, sprang auf und sammelte die Notenblätter für ihn ein. Mats murmelte mit gesenktem Blick ein Dankeschön.
Als alle wieder saßen, sagte unsere Lehrerin mahnend: »Jetzt bitte mit voller Konzentration.« Aber Mats war so durcheinander, dass er oft patzte, und ich patzte mit Absicht. Unsere Lehrerin sah erleichtert aus, als wir das letzte Stück gespielt hatten. Wir standen alle auf und verneigten uns nebeneinander vor dem Publikum. Dieses Mal passiertes es wirklich nicht mit Absicht. Als ich mich verbeugte, rutschte mein Gitarrenhals zur Seite, so dass er an der Kapuze von Mats neuer Wolljacke hängenblieb und der Stimmwirbel verhakte sich in der Wolle.
Mats neben mir erstarrte, als hätte ich ihm eine Pistole in den Nacken gedrückt. Er fürchtete bestimmt, dass bei seiner Jacke eine Masche gezogen wurde. Immerhin hatte er sie sich erst letztens gekauft, als wir zusammen in Köln gewesen waren. »Moment, ich hab’s gleich«, stammelte ich, während ich verzweifelt versuchte, den Stimmwirbel aus Mats’ Kapuze zu lösen. Mir kam es so vor, als ob es endlos dauerte und meine Finger waren schweißnass.
Die alten Leute machte unser Anblick ausgesprochen froh und munter. Einige kicherten, andere hielten sich die Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu verbergen, und sie klangen fast so ausgelassen wie meine Klasse in einer Vertretungsstunde.
Ich hatte Mats gerade befreit, als
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