Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
die Flügeltür des Saals aufging und der Nikolaus auf seinen Bischofsstab gestützt hereinschritt. Er nickte jedem von uns auf der Bühne freundlich zu. Sogar mir. Rasch senkte ich meinen Blick. Wieso fühlte sich mein Bauch plötzlich so an, als hätte ich viel zu viel rohen Plätzchenteig genascht? Also, richtig schlecht.
Während sich der Nikolaus in einen hohen Lehnsessel setzte, ging mir eine Frage immer wieder durch den Kopf: Was hast du nur getan?, dachte ich. Die Antwort war klar, ich hatte mich an Mats gerächt. Ganz, ohne Rücksicht auf die alten Leute zu nehmen. Ich schaute über die langen Stuhlreihen unter uns, wo viele ergraute Köpfe, einige blau schimmernde und ein rot gefärbter Kopf zu dem Nikolaus schauten. Plötzlich fiel mir etwas Schreckliches ein. Alte Menschen konnten sterben. Vielleicht war dies die letzte Nikolausfeier, die einige der Heimbewohner noch erleben würden? Ich schluckte. Meinetwegen hatten sie keines der Lieder richtig gehört. Und nicht nur das. Ich hatte die Nikolausfeier ins Chaos gestürzt. Das konnte ich nie wieder gutmachen.
In dem Moment fand ich mich so schrecklich, dass ich am liebsten vor mir selbst davongelaufen wäre. Aber etwas tat noch mehr weh. Kaum war die Nikolausfeier vorbei, lief Mats davon. Vor mir. So wie ich am Samstag vor ihm aus dem Zug geflüchtet war. Eigentlich wären wir jetzt quitt. Nur so fühlte es sich nicht an. Überhaupt nicht. Sondern so, als hätte ich den größten Fehler aller Zeiten gemacht. Wie sollte es jetzt weitergehen?
Amor auf vier Pfoten
D as fragte ich an diesem Abend all meine Freundinnen und bekam ganz unterschiedliche Antworten.
Linn meinte: »Wieso, wo ist das Problem? So hatten die alten Leute wenigstens mal was zu lachen!«
Philippa sah nachdenklich aus und drehte eine lange Haarsträhne um den Finger, wie immer, wenn sie genau nachdenkt. Dann sagte sie: »Sprich mit Mats, sobald es geht!«
Hannah dagegen klang fast wie eine Wahrsagerin: »Dass sich dein Gitarrenhals in seiner Kapuze verhakt hat, das hat viel mehr zu bedeuten, merkst du das nicht, Mathilda?«, verkündete sie. »Es zeigt, dass ihr miteinander verbunden seid, auch wenn du es nicht willst.«
Ich stöhnte. Wie bitteschön, sollte mir das denn weiterhelfen? Zumindest wollte ich Philippas Rat umsetzen und Mats sagen, dass es ein Versehen war. Und das war nicht einfach! Dreimal wählte ich seine Handynummer, aber legte vorher wieder auf. Doch beim vierten Mal blieb ich dran, nur um dann zu hören, dass der gewählte Teilnehmer nicht erreichbar war. Wann konnte ich endlich mit Mats sprechen?
Am nächsten Morgen war es eiskalt. Alles lag wie erstarrt unter einer grauen Nebelschicht, Bäume und Büsche waren von einer Schicht Eis überzogen. Vivienne, die ich insgeheim Miss Perfekto nenne, stand neben uns an der Bushaltestelle, während Mats schweigend an der einen Seite des Bushäuschens lehnte, ich an der anderen. Weiße Atemwolken stiegen auf, als Vivienne zu uns nach links und rechts schaute, um dann spitz zu fragen: »Na, herrscht mal wieder Eiszeit zwischen euch?«
Na klar, dachte ich, natürlich musste diese blöde Kuh gleich auf unseren Streit aus dem Herbst anspielen, als Mats wochenlang nicht mit mir gesprochen hatte. Es ist wirklich ein Nachteil, wenn man in einem Dorf mit nur zehn Häusern wohnt. Jeder weiß alles von jedem.
»Apropos Eis«, erklang Mats’ Stimme vom anderen Ende des Bushäuschens. »Hast du deine Pläne, zum Modeln nach New York zu gehen, eigentlich auf Eis gelegt, Vivienne?«
Das war so was von schlagfertig von ihm! Ich biss mir auf die Lippen, um nicht laut zu lachen. Vivienne hob das Kinn und ihre kinnlangen Haare wippten, als sie von oben herab erklärte: »Nein, aber ich bin wählerisch. Bislang war noch nicht das richtige Angebot für mich dabei.«
Der Bus kam und Mats war sofort von seiner halben Wasserballmannschaft umringt. Ich seufzte. Nun musste ich bis zur großen Pause warten, um ihn alleine zu erwischen. Oder nein, musste ich nicht. Ich zog mein Handy hervor, hakte einen Arm um die Haltestange des Busses und tippte:
DAS BEI DER NIKOLAUSFEIER WAR ECHT NICHT MIT ABSICHT ! TROTZDEM SORRY .
Ob Mats meine Entschuldigung annehmen würde? Die Antwort kam in der ersten Pause. Mein Handy vibrierte und meine Hand auch, als ich auf das Display starrte. Mats hatte geschrieben:
ZUMINDEST HAT UNS KEINER VON DEN ALTEN LEUTEN GEFILMT UND AUF YOUTUBE GESTELLT .
Ich lachte laut auf und war so glücklich, dass er mir nicht
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