Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
erklären«, er winkte ab und legte seinen Arm um mich. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und so saßen wir schweigend, bis wir ihn zu Hause absetzten.
Wir kehrten in ein verschlafenes Krähwinkel zurück, wo nur noch wenige Lichter brannten. Aber ich war hellwach, stürmte die Treppen hinauf in mein Zimmer und rief Hannah an. Meine abf war nicht besonders gesprächig, aber ich ließ nicht locker: »Jetzt sag schon, wie findest du Scott?«
Zuerst sagte Hannah nichts. Ich hörte das Knistern in der Leitung, das wir sonst nie hören, wenn wir zusammen telefonieren. Weil wir uns immer so viel zu erzählen haben.
»Weißt du, ich habe mir Scott ganz anders vorgestellt«, erklärte mir meine abf zögernd. »Eher so typisch amerikanisch, also …« Der Satz blieb unausgesprochen in der Luft hängen.
Ich schnappte nach Luft. Kam Hannah mir etwa jetzt auch mit blond und blauäugig? Die Stimme meiner abf klang unsicher, als sie weitersprach. »… also ich habe nicht gedacht, dass … ähm, wie soll ich sagen? Ja, ich habe halt noch niemanden wie ihn getroffen.« Meine abf holte Luft. »Ich freue mich so für dich, dass er dein Freund ist, Mathilda«, stieß sie hervor. Doch dann hörte ich einen unterdrückten Schluchzer. Oder war es ein Lachen? Irgendetwas stimmte da überhaupt nicht.
»Hannah, was ist los?«, rief ich. »Was ist passiert? Du bist doch traurig.«
»Nein«, schluchzte sie, »nein, überhaupt nicht. Ich bin heute nur so … so gerührt!«
Ich nickte, verstand aber kein Wort. Nur eines wusste ich genau. Etwas war heute passiert. Nur was?
Im Club der Angesagten
A ls Linn, Philippa und ich am Montagmorgen müde und im Schein der Straßenlaternen nebeneinander zum Schulbus trotteten, wollten die beiden natürlich sofort wissen, wie es auf Hannahs Geburtstagsparty gewesen war. Ich zuckte die Schultern, so genau wusste ich das selber nicht.
Schließlich fragte Linn: »Seit wann kennst du Hannah eigentlich schon? Erzähl mal, wie habt ihr euch kennengelernt?«
»Wir kennen uns schon ewig«, sagte ich, während ich in Gedanken wieder einen kleinen Spielplatz an einem trüben Sommertag sah. »Bevor ich in die Schule kam, durfte ich alleine auf den Spielplatz, der gleich bei uns um die Ecke lag, in unserem alten Viertel in Köln. Ich weiß noch genau, dass ich oben auf dem Klettergerüst saß, als plötzlich ein paar größere Jungs sich vor einem Mädchen im Sandkasten aufbauten. Sie traten gegen ihren Sandeimer und der eine rief: ›Du darfst hier nicht spielen. Dieser Spielplatz ist nicht für Ausländerkinder wie dich. Los, hau ab!‹
›Muss ich nicht‹, hat das Mädchen gesagt und ist aufgestanden, ›weil ich auch Deutsche bin.‹
Aber die Jungs riefen: ›Du lügst! Deutsche haben helle Haut und runde Augen, nicht solche Schlitzaugen wie du. Hau ab, du Ausländerkind! Das ist unser Spielplatz.‹
Einer der Jungs bückte sich und hob einen dicken Stock auf: ›Entweder du gehst oder wir jagen dich fort‹, rief er drohend, während er den Stock in seine flache Hand sausen ließ. Immer wieder. Das Mädchen stand da ganz alleine. Da bin ich von dem Klettergerüst runter und zu ihr gerannt, ohne zu wissen, was ich machen sollte. Die Jungs waren viel stärker als wir. Sollte ich nach Mama schreien? Aber sie würde mich in unserer Wohnung bestimmt nicht hören. Plötzlich schrie ich: ›Papa, komm schnell, Papa, die großen Jungs ärgern uns! Papa!‹ So laut ich nur konnte, immer wieder. Sofort kam ein Mann auf den Spielplatz und die Jungs rannten davon.« Ich holte Luft und wieder fühlte ich mich wie das kleine Mädchen, das mit den Tränen kämpfte. »Nur, der Mann war gar nicht mein Vater.« Ich lächelte, aber es war eher ein trauriges Lächeln, und fügte leise hinzu: »Der war damals gerade nach Frankfurt gezogen, gleich nachdem meine Eltern sich getrennt hatten. Trotzdem hatte ich mir so gewünscht, dass Papa mir zur Hilfe gekommen wäre. Ich habe dann angefangen furchtbar zu weinen und es war Hannah, die mich getröstet hat. Seitdem sind wir Freundinnen.«
Inzwischen waren wir als Erste an dem Bushäuschen angekommen, das im Dunkeln lag und nur von den Scheinwerfern der vorbeifahrenden Autos kurz angeleuchtet wurde.
Philippa sah mich an. Ernst und mit Bewunderung. »Respekt, du bist echt mutig, Mathilda«, sagte sie. »Das hätte ich mich nie getraut.«
Das sagte ausgerechnet Philippa, die sich traute als einziges Mädchen Rasenmähertreckerrennen zu fahren und die es geschafft
Weitere Kostenlose Bücher