Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
Reden war keine Zeit. »Danke, dass ihr uns mithelft«, rief Philippas Vater und verteilte die Aufgaben. Philippa, die mit ihrem Kopftuch bildhübsch, wie ein Mädchen aus einem alten Gemälde aussah, übernahm die Kasse. Scott, Hannah und Hannes sollten Bratäpfel füllen und ich sie über die Theke reichen. Na, das klang ja nicht besonders schwierig, dachte ich. Aber von wegen! Denn immer wieder blieben ältere Jugendliche vor dem Bratäpfelstand stehen und riefen grinsend: »Die ist ja wirklich zum Anbeißen!« Das hörte ich an diesem Nachmittag so oft, dass ich mir am liebsten entweder Ohrstöpsel in die Ohren gepfropft hätte oder mit Bratäpfeln nach diesen blöden Typen geworfen hätte. Ich glaube, das mit dem Werfen hätte mir noch besser getan. Nur für Philippa trug ich weiterhin die Schürze mit dem peinlichen Aufdruck und das ebenso peinliche Kopftuch, während ich von ganzem Herzen hoffte, dass mir niemand Bekanntes begegnen würde.
Als es dunkel wurde, schoben sich die Besucher in Scharen zwischen den Marktständen vorbei und wir hatten mehr zu tun denn je zuvor. Doch ausgerechnet jetzt zitterte Hannah so, dass sie mit den Zähnen klapperte. »Kind, du musst ins Warme, sonst wirst du noch krank!«, sagte Philippas Vater. Ich wollte schon Mama anrufen, dass sie Hannah abholen sollte, aber Scott hatte eine andere Idee: »Wir wohnen ganz in der Nähe«, schlug er vor, während er schüchtern auf seine Füße schaute. »Willst du mit zu uns kommen und dich ein bisschen aufwärmen, Hannah?«
Erst wollte Hannah nicht, weil am Stand jeder Helfer gebraucht wurde, aber Philippas Vater ließ nicht locker, bis sie mit Scott ging. Ich winkte den beiden zum Abschied nach und erstarrte. Durch den Gang zwischen den Ständen marschierte Saskia, Hand in Hand mit Mats. Sie trug ein Lebkuchenherz um den Hals und weil sie geradewegs auf unseren Stand zukam, konnte ich auch gleich lesen, was darauf stand: ›Du hast mein Herz getroffen‹. Ja, lasst Lebkuchen sprechen, dachte ich. Falls ich jemals in meinem Leben gerne unsichtbar geworden wäre, dann in diesem Moment. Mats sollte mich nicht mit diesem Kopftuch sehen. Und diese Schönheit von Saskia schon gar nicht. Ich hatte nur eine Chance. Ich bückte mich rasch, wie um etwas vom Boden aufzuheben, und tauchte schnell hinter der Theke ab. Doch zu spät.
»Mathilda«, sagte Mats’ Stimme vor dem Stand, »kommt ihr zurecht?« Seine Stimme klang besorgt und da war noch etwas in seiner Stimme, das alles in mir zum Flattern brachte. Langsam blickte ich zu ihm vom Bretterboden des Standes auf, unfähig etwas zu antworten, weil alle Worte in mir durcheinanderwirbelten. Auf keinen Fall konnte ich länger auf dem Boden hocken bleiben. Meine Wangen brannten, als ich mich aufrichtete und meine Schürze glattstrich. Vor dem Bratapfelstand hatte sich eine Schlange gebildet, obwohl Philippa und Hannes fieberhaft arbeiteten.
»Könnt ihr noch Hilfe brauchen?«, fragte Mats, während Saskia neben ihm ungeduldig auf der Stelle tippelte. Stumm nickte ich und so, als ob es das Selbstverständlichste wäre, sagte Mats zu Saskia: »Warte nicht auf mich, das dauert hier länger«, und war mit einem Satz im Stand. Er übernahm die Kasse und es schien ihn kein bisschen zu stören, dass er wie wir alle das Kopftuch und die Schürze tragen musste.
Stattdessen hielt ich die Luft an. Denn Julia und ihr Gefolge steuerten direkt auf den Stand zu. »Hi«, sagte ich matt, während ich genau wusste, dass ich aussah wie ein Landei.
Julia musterte mich mit einem Blick, um naserümpfend festzustellen: »Das muss ansteckend sein, ihr seht ja alle so kleinkariert aus.«
Ich warf einen Blick über den Stand, wo Mats, Philippa und Hannes zusammen arbeiteten und ja, auf einmal war ich stolz darauf, dazuzugehören. Triumphierend blickte ich Julia an: »Ja, das ist Freundschaft und die ist ziemlich ansteckend.«
Einen Moment lang sah Julia so aus, als ob sie nicht wusste, was sie darauf antworten sollte. Dann hob sie das Kinn. »Na, wenn das so ist, dann mache ich mal, dass ich hier wegkomme«, verkündete sie von oben herab. Ihr Gefolge hakte sich bei ihr ein und zu dritt verschwanden sie.
Aber in diesem Moment passierte noch viel mehr: Ich wusste endlich, wer nicht meine Freunde waren. Nur eines wusste ich nicht: Hatte Scott mein Herz getroffen oder ein anderer Junge? Oder war das nur so ein blöder Lebkuchenspruch?
Friede, Freude, Eierkuchen?
W enn ich mir nach dem Bratapfelfest etwas gewünscht
Weitere Kostenlose Bücher