Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
dachte es: ›Du, Mats, es ist jetzt auch schon richtig schön.‹ Als ich zu der neuen Wohnung von Papa und Stephanie zurückging, fühlte ich mich richtig glücklich, bis Friederike die Tür öffnete.
Sie legte den Finger auf die Lippen und zog mich in die Wohnung. »Schnell, schnell, bevor sie von ihrem Spaziergang zurückkommen«, wisperte sie und zerrte mich eilig in den Flur, wo Stephanies riesige Lederhandtaschen an der Garderobe hingen.
»Was ist denn mit dir los?«, zischte ich und schüttelte Friederike ab. »Du willst doch nicht etwa …«
»Nein, wollte ich auch nicht«, erwiderte Friederike patzig. »Ich bin gegen die doofe Handtasche gestoßen, was muss die auch so groß sein wie ein Koffer?«
Na ja, das mit dem Koffer war natürlich übertrieben, aber trotzdem wusste Friederike, dass man nicht an fremde Taschen oder Sachen ging. Doch sie beugte sich vor und nahm einfach die mintfarbene Handtasche vom Haken.
»Friederike, du willst doch nicht etwa …«, fing ich an und kam mir fast wie unsere Mutter vor.
»Will ich nicht, muss aber sein«, konterte Friederike, zog ein kleines Lederetui aus der Handtasche, klappte es auf und hielt es mir hin. »Mathilda, mach schon, sieh dir das schon an!«
Ich konnte nicht glauben, dass meine Schwester überhaupt keine Gewissensbisse hatte. »Was ist, wenn Papa und Stephanie zurückkommen?«, wisperte ich, obwohl wir nur zu zweit in der Wohnung waren.
»Ich höre die Absätze von Stephanie sofort, wenn sie unten im Treppenhaus sind«, erklärte Friederike. »Los, sag mir, was siehst du darauf?« Aufmunternd stupste sie mich an, so als ob sie die Ältere wäre. Das passte mir überhaupt nicht.
»Das sehe ich doch sofort«, erklärte ich, während ich ratlos auf graue Schlieren und einen kleinen weißen Punkt blickte. Wieso wusste dieses Kind, was es mit dem Zettel auf sich hatte? Auf keinen Fall würde ich zugeben, dass ich nichts wusste. Ich überflog den Zettel nach weiteren Hinweisen und erkannte am Rand einen mir bekannten Namen: Stephanie Schneider. Papas neue Frau hatte ihren Namen nach der Hochzeit behalten. Darüber stand da noch: Praxis Dr. Gravitas, Gynäkologin, Frankfurt.
Mit einem Mal wurde mir heiß, denn dass eine Gynäkologin eine Frauenärztin war, das wusste ich längst. Sollte Stephanie etwa …
»Du meinst, sie ist schwanger?« Ich sah meine kleine Schwester entgeistert an. Was sollte Stephanie mit einem Baby, wo sie doch den ganzen Tag in der Anwaltskanzlei oder vor Gericht war? Stephanie in ihren Hosenanzügen und mit ihren eleganten Handtaschen konnte ich mir weder beim Windelnwechseln noch auf dem Spielplatz vorstellen. »Vielleicht ist das nur eine Zyste, die entfernt werden muss. So etwas hat Mama doch auch mal gehabt.« Ja, das musste es sein, dachte ich, und die Erleichterung breitete sich in mir aus. Wie ein Baby sah der Punkt zum Glück überhaupt nicht aus. Ich reichte Friederike das Etui zurück.
Doch meine Schwester schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. »Wer steckt sich denn das Bild von einer Zyste in so ein schönes Etui? Häh?«
Als ich das hörte, wusste ich sofort, dass meine kleine Schwester recht hatte. Plötzlich fiel mir noch etwas ein. »Frau Quentin war morgens schlecht«, stöhnte ich und bei dem Gedanken wurde mir auch ganz flau.
Friederike sah mich an, als sei ich verrückt geworden. »Wovon redest du jetzt, Mathilda?«
»Am Anfang ihrer Schwangerschaft war es Frau Quentin morgens auch schlecht, das hat Linn mir erzählt.«
Plötzlich kam es mir so vor, als seien wir von einer Horde unsichtbarer Babys umzingelt, die uns frech die Zunge rausstreckten und nur darauf lauerten, uns mit ihren Windeln zu bewerfen.
Meine Schwester nickte ernst. »Mathilda, ich sage dir eines, ob wir wollen oder nicht, bald müssen wir Papa mit so einem Schreihals teilen!«
Nur, wann würde mein Vater mit der Wahrheit herausrücken?
Papa wollte das anscheinend nicht, aber er hatte keine Chance. Wenn Friederike und ich etwas wissen wollen, kommt er nicht gegen uns an. Wir haben natürlich den idealen Moment abgepasst, als wir nur zu dritt im Auto saßen und Papa uns zum Hauptbahnhof gefahren hat. Natürlich haben wir das Gespräch geschickt angefangen und behauptet, dass wir uns um Stephanie Sorgen machen, weil es ihr so oft schlecht gewesen sei. »Nein, nein, das ist nichts Ernstes«, meinte unser Vater, aber sah dabei so aus wie Kralle, wenn er heimlich Aufschnitt stibitzt hat. Friederike und ich warfen uns einen Blick zu.
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