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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Ohrfeige, sogar eine, die besser sitzt als bei Carol Benton.
    Mool bringt die Pommes, und auf einmal möchte ich ihn küssen. Ich möchte ihm die Arme um den Hals schlingen und ihm einen dicken Kuss geben. Ich weiß, das passt nicht zu meiner Rolle, aber ehrlich gesagt ist es sicher besser, mir meine Gemeinheit für diejenigen aufzuheben, die sie verdient haben. Sie wird dadurch nur stärker, wie Schlangengift. Man will es nicht an die falsche Person verschwenden.

Sechs
    Als ich von der Schule nach Hause kam, war Ma in der Küche und starrte aus dem Fenster. Sie trug ihren chinesischen Kimono, mit lauter Brücken und Drachen.
    «Wonach guckst du?», fragte ich.
    Ein Nussring stand auf dem Tisch. Ma hatte schon ein dickes Stück davon gegessen. Ma war immer dünn, und sie soll es bleiben. Fett würde ihr nicht stehen, dafür ist sie nicht gebaut. Außerdem, fette Menschen lügen, ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Sie haben Dinge zu verbergen.
    «Was machst du da?», frage ich. Sie stand einfach nur da.
    «Ein Nussring», sage ich. «Pekannuss. Von Kroner?»
    «Magst du ein Stück?», fragt sie.
    Ich sage nein, obwohl ich liebend gern eins hätte. Pekannussringe von Kroner sind so ziemlich das Beste. Mein Plan ist, es später zu essen, wenn sie weg ist.
    Ich setze mich an den Tisch und warte ab, was passiert. Es dauert ungefähr zwei Stunden, aber schließlich kommt Ma zu mir herüber.
    «Dein Haar ist lang geworden», sagt sie und berührt es. Es ist wie ein elektrischer Schlag, warm, und vielleicht hätte es sich nicht halb so schlecht angefühlt, wenn ihre verflixten Hände nicht gezittert hätten. Außerdem stinkt die Küche nach Zigaretten, ihre alte Gewohnheit, sie raucht wieder.
    Ich picke eine Nuss aus dem Kuchen, esse sie aber nicht. Ich studiere sie wie ein wissenschaftliches Objekt, bis Ma sich wegbewegt. Auf einmal brummt nur noch der Kühlschrank. Wie Filmmusik zur Unendlichkeit. Ich stehe auf und schlage mit der Faust an dasverdammte Ding. Ma zuckt etwas zusammen, es ist fast zum Lachen.
    «Dein Vater und ich gehen nächste Woche ins Theater», sagt sie aus heiterem Himmel. Die beiden gehen nirgendwo mehr hin, darum kommt es mir etwas verdächtig vor.
    «An welchem Tag geht ihr?», frage ich.
    «Mittwoch», sagt sie.
    Das ist der Tag davor. Der Tag vor H.S.S.H.
    «Ist etwas Besonderes?», frage ich. Vielleicht haben Ma und Pa den Tag ja doch in ihre Kalender eingetragen, vielleicht habe ich sie unterschätzt.
    Ma zieht ein angewidertes Gesicht und verscheucht eine unsichtbare Fliege. «Jemand hat deinem Vater die Karten geschenkt», sagt sie.
    Ich frage, ob ich mitgehen darf, aber sie sagt, es seien nur zwei.
    «Kannst du nicht noch eine kaufen?», frage ich.
    «Das Stück würde dir nicht gefallen», sagt sie.
    Ich frage, wie es heißt, und sie sagt
Plutos Mondwelt
. Sie sagt es, als wäre das der schlechteste Titel der Welt.
    «Ich will mit», sage ich.
    Ich wette, Ma erinnert sich nicht einmal mehr, dass Planeten immer meine große Leidenschaft waren. Ich hatte das ganze Sonnensystem oben an der Decke. Und Leuchtsterne.
    «Ich will mit», wiederhole ich, doch Ma antwortet nicht. Wahrscheinlich soll ich sie anbetteln, aber ich habe keine Lust. Betteln mache ich später, bei Pa.
    «Am Wochenende schlafe ich bei Anna», sage ich.
    «Du bist nicht die Einzige, die Pläne hat», füge ich hinzu.
    Sie nickt nur. Sie steht wieder am Fenster. Ich weiß nicht, wonach sie guckt. Interessiert sie sich jetzt für Bäume?
    Abermals Schweigen, ich kann Ihnen sagen, Sie können sich das nicht vorstellen. Auf einmal wünsche ich, ich hätte den blöden Kühlschrank nicht geschlagen. Es wäre genau der richtige Moment für ein paar Kühlschrankschreie.
    Ohne zu merken, was ich tue, falle ich über den Nussring her. Wie ein Schwein fresse ich den Kuchen in mich rein, mehr als ich mag. Ma steht immer noch abgewandt da, und bei jedem Atemzug sieht es aus, als hübe der Drache auf ihrem Rücken zum großen Feuerspucken an. Wenn ich nur wüsste, was in ihrem Kopf vorgeht. Aus irgendeinem Grund funktioniert meine Außersinnliche Wahrnehmung nicht, wenn es um Ma geht. Ich zähle weiter, wie oft der Drache Luft holt, und als ich Pas Auto höre, klingt es wie Musik in meinen Ohren.
    Ma geht an den Herd und macht auf ganz normal. Sie rührt in einem Topf. Das Abendessen vermutlich, wobei sie in letzter Zeit nicht sehr kreativ gewesen ist. In letzter Zeit ist sie eine Art Eintopf-Wunder. Schmeiß alles rein und hoff das

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