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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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persönlichen Sachen. Wenn man verheiratet ist, kann man nichts mehr unter seinem Bett verstecken, weil das Bett Gemeinschaftseigentum ist.
    In Pas Schränkchen sind Bücher und ein paar Fotos von einem Ausflug zu den Concordia Farms, wo wir alle zusammen Kürbisse gepflückt haben. Gelegentlich findet sich da drin auch eine perverse Zeitschrift, das meiste über Titten. Ziemlich oft sind die Frauen allein, und wenn sie sich selbst berühren, sehen sie wie von Schmerzen gepeinigt aus. Manche schauen einem direkt in die Augen. Andere wirken wie geisteskrank. In Mas Schränkchen sind Zigaretten, Notizbücher und manchmal eine Flasche. Ich weiß nicht, warum sie kein Schloss an ihre blöden Schränkchen machen, um andere vom Schnüffeln abzuhalten.
    Als die Leute kamen, um Helene aufgebahrt im Sarg zu sehen, war Helene unsichtbar, der Deckel war zu. Abgeschlossen. Ich frage mich, wer den Schlüssel hatte. Offenbar durften Ma und Pa einen Blick auf sie werfen, bevor sie zumachten, aber ich war nicht eingeladen. Angeblich war ihr Körper übel zugerichtet. Ich weiß nicht, ob und wie. Alle gingen zu dem blöden Kasten hinauf, als läge Helene tatsächlich da drin. Aber ich war nicht überzeugt. Der Tod ist fast ein Schabernack. Man kann nicht allen Ernstes an ihn glauben.
    Auf der Beerdigung trug Ma roten Lippenstift, weil das die einzige Farbe ist, die sie hat. Ich saß neben ihr, und sie murmelte die ganze Zeit etwas vor sich hin, immer das Gleiche, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen.
O Gott o Gott o Gott
hätte es sein können. Trotzdem, wie sollte es denn auch, wo sie doch gar nicht an ihn glaubte? Den großen Ihn.
    Komisch, am Tag der Beerdigung hat es nicht einmal geregnet.Nichts war so, wie es sein sollte. Pas Bruder hielt eine Rede, aber er konnte sie kaum auswendig und starrte dauernd auf ein Stück Papier. Ich sage Ihnen, der ganze Tag war absolut unglaublich. Ich weiß aus Filmen, wie es auf Beerdigungen zugeht, und Helenes war eine reine Schande. Wenn es an H.S.S.H. regnet, werde ich glücklich sein.
    Das heißt, richtig glücklich auch wieder nicht. Ich werde nur das Gefühl haben, dass jemand mich gehört hat. Ein Wächter vielleicht. Regen ist das Mindeste, das sie mir geben könnten. Ich erwarte ja kein Wunder, nur ein bisschen Wetterleuchten, ein paar Donnerschläge. Wäre das zu viel verlangt?

Sieben
    Heute Morgen nach dem Frühstück bin ich rausgegangen, eine Zigarette rauchen. Sie stammt aus den Vorräten, die meine Mutter überall im Haus gebunkert hat. Ma raucht nicht mehr, lautet die Geschichte, die wir glauben sollen. Die große Lüge, eine von vielen. Ma trinkt auch nicht, wenn Sie das ganze Märchen wissen wollen.
    Die Zigarette ist extralang. Ich beschließe, sie nicht anzuzünden, Ma würde es riechen. Es ist ebenso gut, sie einfach in der Hand zu halten. Bisher habe ich noch nie geraucht, aber irgendwann werde ich es tun, und die Haltung ist entscheidend. Meine Art, habe ich beschlossen, wird die zwischen Zeigefinger und Daumen sein, wie ein Mann. Die Zigarette so zu halten, verleiht eine gewisse Macht.
    Bei unseren Nachbarn, den Ryders, wird ein neues Schwimmbecken gebaut. Ich weiß nicht, was an dem alten schlecht war. Ein Bulldozer macht alles platt, erstaunlich, was für ein Lärm das ist. Wenn die Sonne durch den Staub scheint, wird es gruselig wie Giftgas.
    Auf einem Hügel oberhalb des Schwimmbeckens steht eine weiße Gartenlaube. Sie gehört den Ryders, aber einmal haben sie mir erlaubt, meinen Geburtstag dort zu feiern. Als ich zehn wurde. Ich trug ein blaues Kleid mit gelben Schleifen. Die Gartenlaube hat keine Wände, nur Säulen und ein Dach, und mit den wehenden Staubwolken, die der Bulldozer aufwirbelt, sieht sie aus wie eine Postkarte aus dem alten Griechenland. Hoffentlich reißen sie die nicht auch noch ab.
    Kevin Ryder steht bei sich an der Hintertür und beobachtet die Zerstörung. Ich gehe zum Zaun hinüber, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, aber es nützt nichts. Kevins Bruder war übrigens einer von Helenes Liebhabern. Sie trafen sich zum Knutschen in der Gartenlaube.
    «Kevin!» Ich muss praktisch schreien, damit er mich bemerkt.
    Wir gehen beide näher an den Zaun.
    «Hast du Feuer?», frage ich ihn.
    Er hält sich die Hand ans Ohr.
Ich kann dich nicht hören.
    Ich stupse die Zigarette an meinen Mund, damit er begreift.
    Kevin scheint verwirrt. Er schüttelt den Kopf. Er trägt eine dicke Silberkette um den Hals, und sein Haar ist blau. Er ist ein ganz

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