Matrjoschka-Jagd
schüttelte den Kopf. »Es geht nicht um Ihre Affäre mit Jelena Petrovic, Frau Direktor. Ich möchte von Ihnen nur wissen, ob Frau Petrovic Ihnen gegenüber jemals über eine drohende Gefahr gesprochen hat.«
Die Frau schüttelte verständnislos den Kopf. »Eine Gefahr?«
»Es gibt nichts zu wissen«, warf der Direktor ein. »Wahrscheinlich hat sie den Personalwagen absichtlich zu Schrott gefahren. Ich habe zu viele Erfahrungen machen müssen mit diesen …«
»Woher wissen Sie, dass der Wagen abbruchreif ist?« Nore Brands Frage war pfeilschnell gekommen.
Der Direktor war einen Augenblick verwirrt. »Alle wissen es, das ganze Dorf spricht darüber. Hier wissen immer alle sofort Bescheid.«
»Ihre Frau wusste es nicht.«
Er starrte sie zornig an. »Frau Brand, Sie haben einen Auftrag zu erledigen. Es geht um Frau Ehrsam und um nichts anderes. Ich stehe Ihnen jederzeit und überall zur Verfügung, aber lassen Sie meine Frau aus dem Spiel.«
»Seit heute geht es auch um Frau Petrovic. Sie ist tot. Nur das kümmert mich.« Sie wandte sich zum Gehen.
Da machte der Direktor einen hastigen Schritt auf sie zu. »Die Sache mit meiner Frau hat mich, ehrlich gesagt, etwas aus der Ruhe gebracht, aber das ist nun vorbei. Selbstverständlich stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung.« Er legte ihr kurz die Hand auf den Arm. »Könnte es denn sein, dass Frau Petrovic in einem Anfall von Verzweiflung versuchte, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Ich glaube, sie hat meine Frau sehr …«, er suchte nach einem Wort, das ihm für diese Gefühlslage geeignet schien. Doch ohne Erfolg.
Er wandte sich an seine Frau. »Wir hätten unbedingt mit ihr sprechen müssen. Leider haben wir ihre Situation nicht ganz erfasst.«
»Frau Petrovic wirkte absolut nicht lebensmüde. Sie hatte Pläne.«
»Was für Pläne denn?«
»Sie wissen nichts?«, fragte Nore Brand zurück.
»Woher sollte ich etwas wissen? Die meisten gehen zurück in ihre Heimat, manche kommen wieder, andere nie mehr.«
»Frau Petrovic studierte Medizin, in Zagreb. Sie hatte vor, dort nach ihrem Studium eine Praxis zu eröffnen.«
»Eine Praxis?« Das Gesicht des Direktors wurde lang.
»Sie studierte Medizin.«
Der Direktor schüttelte den Kopf und schaute seine Frau ratlos an.
Sie zögerte. »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich, »ja, doch, vielleicht hat sie einmal so etwas erwähnt.«
Sie log.
»Jelena Petrovic hatte Kontakt mit Frau Ehrsam.« Nore Brand machte eine kleine Pause.
Der Direktor wischte sich über die Stirn. Nore Brand hatte den Eindruck, einen Stein losgetreten zu haben, aber sie wusste nicht, wohin er rollte.
Wer befand sich in der Rollbahn dieses Steins?
»Ich möchte mich kurz im Zimmer von Frau Petrovic umschauen.«
Der Direktor machte die Andeutung einer Verbeugung. »Am besten komme ich gleich mit.« Er nickte seiner Frau zu und bedeutete der Kommissarin, ihm zu folgen. Schweigsam gingen sie die Treppe hinauf, durchquerten die Eingangshalle, dann einen weiteren Aufenthaltsraum, in dem zwei ältere Damen Patience legten, und verließen das Gebäude durch eine Art Dienstbotenausgang. Ein paar Schritte bergaufwärts befand sich ein unauffälliges Haus, eine Mischung aus Kaserne und Ferienkolonie mit grauer, unansehnlicher Fassade. Der Direktor war ihrem Blick gefolgt.
»Nächstes Jahr wird das renoviert. Es sieht so aus, als ob wir die finanzielle Talsohle bald durchschritten hätten.« Er lächelte zufrieden, öffnete die Tür und ließ sie eintreten. Die Diele war klein, eng und schmucklos, der Teppich abgeschabt und die Farbe nicht mehr zu erkennen. Der Direktor ging mit einem kleinen Schwung an ihr vorbei.
»Hier«, er zeigte mit der Hand nach rechts. Sie folgte ihm den Korridor hinunter. Vor einem Zimmer blieb er stehen, klopfte und horchte.
»Frau Petrovic teilt, entschuldigen Sie, teilte das Zimmer mit Frau Gomes. Sie hat Zimmerstunde. Ich hoffe, dass wir sie nicht allzu sehr stören.« Er horchte wieder an der Tür. Niemand antwortete. Plötzlich näherten sich rasche Schritte, dann tauchte eine Frau mit Putzkessel und Lappen auf. Als sie die beiden erblickte, blieb sie erschrocken stehen.
»Wissen Sie, ob Frau Gomes außer Haus ist?«
Die Frau nickte heftig. »Ja, einkaufen, in Interlaken«, sagte sie mit hoher Stimme. »Aber Zimmer nie geschlossen. Jelena und Frau Gomes nie schließen. Schlüssel fehlt«, erklärte sie eifrig und hob bedauernd ihre Schultern, als ob sie auch daran schuld wäre.
Als die Frau merkte,
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