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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Diebin.« An seinen Schläfen traten die Adern hervor.
    »Gehört sie nicht Frau Petrovic?«
    »Frau Petrovic?«, wiederholte er empört. »Die hatte nichts, rein gar nichts. Zumindest als sie kam. Diese Uhr gehört Frau Ehrsam.«
    Er schlug mit der Faust die Schranktür weg und suchte. »Vielleicht hat sie noch mehr gestohlen.« Er machte einen Schritt auf sie zu und hob triumphierend den Zeigefinger. »Da haben Sie es. Diese Frau war eine Kriminelle. Auch wenn sie Medizinstudentin war, ändert das wohl nichts an dieser Tatsache.«
    Nore Brand steckte die Uhr vorsichtig in ihre Tasche. »Das war’s also«, sagte sie, »danke für Ihre Hilfe.«
    Jelena Petrovic war eine Medizinstudentin gewesen, nicht dass sie daran gezweifelt hätte, aber es war immer gut, eine Bestätigung zu erhalten. Noch besser war zu wissen, dass diese Tatsache dem Direktor offensichtlich sehr nahe ging.

EIN KÜNSTLER NAMENS
JEREMIAS MATTHÄUS SIMMER
    Als Nore Brand eine halbe Stunde später das Belvedere verließ, stand Nino Zoppa beim Wagen.
    »Die Bibliothekarin hat Mittagpause. Ich kann erst in einer Stunde an den Computer. Gibt’s bei dir etwas Neues?«
    »Ja. Die Uhr ist aufgetaucht.«
    »So plötzlich? Wo denn?«
    »In Jelenas Zimmer.«
    »In Jelenas Zimmer?«
    Nore Brand nickte. »Leider ja. Der Direktor hält sie für eine Diebin. Für ihn gehört sie zu den Diebesbanden aus Osteuropa, die ihre Beute in unseren Wäldern verscharren und irgendwann, wenn die Luft rein ist, die ganze Herrlichkeit abholen und nach Hause transportieren.«
    »Sie studierte doch Medizin!«
    »Es gibt auch unter den Medizinern Kriminelle.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Nino, »ich kann nicht mehr denken. Ich muss etwas essen, sonst falle ich um vor Hunger.«
    Nore Brand stocherte in ihrem Teller herum. Sie dachte über Jelena Petrovic nach. Sie versuchte sie sich als Mitglied einer Diebesbande vorzustellen, die nebenbei Millionärinnen umbrachte. Ihr war, als ob sie nie einen absurderen Gedanken gehabt hätte. Und doch …
    Sie begann sich zu misstrauen. Woher nahm sie die Gewissheit? Auch sie hatte Partei ergriffen für diese Frau. Sie stand immer auf der Seite der Wehrlosen und wer war wehrloser als die Toten?
    Doch wie war diese Uhr in Jelenas Schrank gekommen?
    Nore Brand lehnte sich zurück und strich sich die Haare aus der Stirn. Am Nebentisch saßen vier Männer in orangefarbenen Dienstkleidern tief über ihre Teller gebeugt und schaufelten schweigend das Essen in sich hinein.
    »Hat es geschmeckt?«
    Nore Brand schreckte auf. Sie hatte nicht gemerkt, dass die Wirtin an ihren Tisch getreten war. Rasch warf sie einen Blick auf den Teller. Der Rand war leicht grünlich. Klar, Spaghetti mit Pestosauce war es gewesen. Sie erinnerte sich an etwas Öliges. Wer immer in diesem Haus kochte, hatte heute nicht den besten Tag erwischt.
    »Danke«, sagte sie gedankenlos.
    Die Wirtin beugte sich über den Tisch und griff nach dem leeren Teller.
    »Würden Sie mir noch einen Espresso bringen?«
    »Gerne«, sagte die Wirtin und verschwand mit watschelndem Schritt hinter der Theke. Dann hörte man Wasser plätschern und Teller klappern.
    »Hast du überhaupt gemerkt, was du gegessen hast? Das war grauenhaft. Ein Rattenfraß«, zischte Nino ihr zu.
    »Stimmt, aber wir sollten es nicht mit allen verderben in diesem Dorf. In unserer Situation sowieso nicht.«
    Draußen regnete es in Strömen.
    Nore Brand holte den Umschlag mit Fotos aus der Tasche, der in dem Buch gesteckt hatte, und schaute die Bilder noch einmal durch. Auf einem Bild waren die Eltern abgebildet; beide festlich gekleidet. Jelena Petrovic hatte die Gesichtszüge ihres Vaters, aber die Haarfarbe und die Lippen ihrer Mutter. Der Vater hatte seine Arme um die Hüfte seiner Frau gelegt und schaute sie von der Seite lächelnd an. Jelena flirtete mit dem Fotographen. Auf einem anderen Bild saß Jelena Petrovic mit den Eltern am Tisch. Es musste ein Geburtstagsfest sein. Vor ihr stand eine Torte, sie hielt ein Paket in der Hand und strahlte vor sich hin. Ihre Wangen noch mädchenhaft rund, die Haare etwas kürzer. Das Zimmer, in dem die Aufnahme gemacht wurde, war bescheiden eingerichtet, aber nicht ärmlich. Auf der rechten Seite konnte man die Hälfte eines Männergesichts sehen, jedoch zu wenig, um eine verwandtschaftliche Beziehung zu erkennen.
    Warum hatte Jelena Petrovic Bucher benachrichtigt? Falls sie die Diebin war, warum hatte sie die Bernstein-Uhr in ihrem offenen Zimmer liegen gelassen? Hatte der

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