Matterhorn
fragte Connolly erneut.
Mallas scharrte mit dem Stiefel im Morast. »Ich glaube, ihr habt einen Lebenslänglichen abgekriegt. Aber ich glaube, das wird ein guter.«
»So, so, ein Lebenslänglicher, wie?«, sagte Connolly. Alle drehten sich zu dem neuen Lieutenant um, der eifrig mit Bass redete. Bass und Fracasso wurden auf sie aufmerksam und kamen herüber. Mellas wusste, dass die nächsten fünf Sekunden zu den wichtigsten in Fracassos Leben gehörten. Mit Sicherheit hing seine Karriere, vielleicht auch sein Leben davon ab. In den nächsten fünf Sekunden würden diese drei jungen Leute entscheiden, ob sie mit ihm zusammenarbeiten würden oder nicht.
Fracasso war sichtlich nervös. Die drei Gruppenführer starrten ihn ohne jedes Anzeichen von Freundlichkeit an.
Mellas räusperte sich. »Tja, eigentlich müsste ich jetzt eine schwülstige Abschiedsrede halten, aber weil ich auch weiterhin jeden dritten Tag zusammen mit Bass hinter euch traurigem Sauhaufen hermarschieren werde, lass ich es vielleicht lieber.« Er wunderte sich über seine undeutliche Aussprache. »Ich, äh, ich werde euch vermissen.« Er konnte sie nicht ansehen. »Das hier ist Lieutenant Fracasso. Er wird den Zug übernehmen.«
Mellas zeigte nacheinander auf jeden Gruppenführer und stellte ihn vor.
»Tut mir echt leid, Sie hier zu sehen, Sir«, sagte Connolly. »Aber ich bin schon zweistellig, und mein Hintern ist demnächst hier weg. Meine Restzeit ist so kurz wie ein Schwanz in Eiswasser.«
Fracasso schien einen Moment lang verblüfft, doch dann streckte er Connolly die Hand hin. » Ihnen tut’s leid? Mensch! Ich hab noch über ein Jahr.«
Connolly gab ihm die Hand, gefolgt von Jancowitz und Jacobs. Fracasso hatte den Test bestanden. Mellas hatte ein gutes Gefühl. Er hatte damit gerechnet, eifersüchtig zu sein. Der Zug würde klarkommen. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm diese Jungs ans Herz gewachsen waren.
»Noch eins, bevor ich abhaue und Fracasso euch endgültig an der Backe hat. Jeder geht duschen. Unten am Fluss gibt’s eine Wasserstelle. Ihr Gruppenführer sorgt dafür, dass jeder dorthin geht, bevor ihr alle so hinüber seid, dass ihr ersauft.«
Zwei Stunden später saß Mellas im Morast, in der Hand ein weiteres warmes Bier. Sein Körper kam ihm seltsam leicht vor, seit er geduscht hatte. Es war seine erste Dusche seit seiner Ankunft in Vietnam. Der leichte Nieselregen fühlte sich in seinem Gesicht kühl und erfrischend an. Er meinte, jeden einzelnen Tropfen spüren zu können.
Es war dunkel, doch überall um sich herum sah er schattenhafte Gestalten aus kleinen Kreisen von Freunden aufstehen und sich entfernen, um pinkeln zu gehen. Dann kehrte eine Gestalt zurück – stolperte durch den einen oder anderen Kreis, fand ihren eigenen – und sank wieder hinab in die ununterscheidbare Masse dunkler Schatten. Mellas dachte, dass es schon bei Dschingis Khan und Alexander so gewesen sein musste.
Er hätte sich den anderen Offizieren und Angehörigen des Stabs im Versorgungszelt anschließen können, hatte jedoch das Bedürfnis, sich beim Zug aufzuhalten. Er verspürte eine neue Kameradschaft mit diesen Jungs. Er wusste, das war sentimental, ja rührselig, und er versuchte, sich nicht dem Gefühl von Verlust zu überlassen, das er angesichts seines Schritts die Leiter hinauf empfand.
Sein Kopf schmerzte heftig, und er musste sich ständig ins Gebüsch verziehen, um zu scheißen. Trotzdem ging es ihm außerordentlich gut. Hier war er sicher. Er hoffte, er bekam keinen Durchfall. Sein neuer Tarnanzug war am Hosenboden und an den Knien bereits feucht und dreckig und außerdem leicht verschmutzt von einem seiner Gänge ins Gebüsch. Es war ihm egal. Wenn sie morgen den Bald Eagle einsetzten, konnte er draufgehen. Er kippte weiter Bier hinunter.
Jetzt, da sich alle einen auf die Lampe schütteten, hielt China den Zeitpunkt für günstig, Henry die Sachen zu bringen, damit sie nach Oakland oder Los Angeles weiterbefördert wurden. Der schwere Seesack an seiner Schulter war sperrig, und sein Inhalt stieß ihm gegen Rücken und Hüfte. Schon zwei Minuten nach seinem Weggang von dem kleinen Landeplatz, an dem die Bravo-Kompanie biwakierte, schwitzte er kräftig. Als er sich an den schweren Leinwandklappen vorbeischob, die den Eingang zu Henrys Viermannzelt bildeten, kam ihm der Geruch von Mottenkugeln entgegen, der dem Material noch anhaftete. Er setzte den Seesack etwas heftiger ab als beabsichtigt, und man hörte ein
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