Matterhorn
er hinzu: »Wir haben nicht genug Einsatzfähige, um beide Berge zu verteidigen. Sobald wir die Verwundeten vom Matterhorn runterhaben, hole ich Eins und Drei hierher zurück.«
Mellas brauchte einen Augenblick, um beide Informationen zu verarbeiten. Trotzdem erfolgte seine nächste Frage ganz automatisch. Es war alles, was er sagen konnte, um die Leere zu füllen.
»Wie ist er gestorben?«, fragte er benommen.
»Splitter. Er ist verblutet.«
Mellas drehte sich um und ging zurück zum Rand der Stellungen, die dem Matterhorn zugewandt waren. Es war still. Der Berg schwebte unnahbar über dem Nebel. Er sah vor sich, wie Bass ihn nur wenige Wochen zuvor hier angelernt, mit ihm gescherzt, mit ihm herumgemeckert hatte. Wie Bass ihn eines Tages nach einem Spähtruppunternehmen in eine Decke eingewickelt hatte, als ihm so kalt gewesen war, dass er nicht zu zittern aufhören konnte. Wie er ihm eine Tasse Kaffee gemacht hatte. Von zu Hause geredet. Vom Corps. Bass. Tot. Auf diesem elenden, gottverlassenen Stück Erde.
Goodwin trat von hinten an Mellas heran, legte ihm die Hand auf den Helm und wiegte ihn hin und her. Er sagte nichts.
»Danke, Scar«, sagte Mellas schließlich.
Mellas’ Kehle schmerzte. Hinter seinen Augenlidern stauten sich Tränen. Aber der Schmerz wurde nicht freigesetzt, und die Tränen flossen nicht. Leere erfüllte seine Seele.
»Hey!«, rief jemand auf der Südseite des Verteidigungsrings. »Da kommen die Vögel.«
Aus dem Nebel im Süden stieg ein einzelner CH - 46 . Auf der LZ des Matterhorns schoss jemand eine rote Rauchgranate. Langsam breitete sich der Rauch in der Luft aus wie Blut in Wasser.
Träge Wölkchen aus dunklerem Rauch umquirlten den Hubschrauber während des Anflugs – weitere Mörsergranaten.
Mellas ging weg von den Funkgeräten, griff nach Fitchs Feldstecher und hockte sich auf einen kleinen Erdhügel. Er beobachtete, wie Jackson, der ganz allein mitten auf der Zone stand, mit Handsignalen den Hubschrauber einwies, das Funkgerät auf dem Rücken, während um ihn herum Granaten explodierten. Da Fracasso und Bass nicht mehr da waren, hatte Jackson das Kommando übernommen. Es hatte keine Befehle und keine Fragen gegeben.
Mellas sah zu, wie der Hubschrauber landete. Besatzungsmitglieder drängten heraus, während die Marines der Bravo-Kompanie im Laufschritt die Verwundeten heranschafften, so gut es ging, und sie zum Heck hineinschoben. Besatzungsmitglieder zogen die Körper nach vorn, die Marines liefen mit weiteren Toten und Verwundeten in den Hubschrauber hinein, kamen wieder heraus. Dann, noch während Marines herausrannten und Deckung suchten, hob der Hubschrauber ab und peitschte die Luft. In der sich schließenden Heckluke erschien eine Gestalt, zögerte kurz, sprang dann ins Leere und schlug hin. Sie sah aus wie Jacobs. Mellas kam der verrückte Gedanke, dass Jacobs vermutlich zu schlimm gestottert hatte, um dem Piloten begreiflich zu machen, dass er unten bleiben sollte, aber dann schämte er sich dieses Gedankens. Er sah zu, wie Jacobs eine Sekunde lang liegen blieb. Dann flitzte jemand zwischen den explodierenden Mörsergranaten hindurch und zerrte an ihm. Dann waren sie beide auf den Beinen und suchten schleunigst Deckung.
»Meine Fresse, Jake, Mann«, murmelte Mellas laut. »Er ist tatsächlich zurück in diese Scheiße gesprungen.«
Er sah zu, wie Jackson in aller Ruhe einen weiteren Hubschrauber einwies. Dann verhüllten Wolken die Zone, und er konnte nichts mehr sehen.
Ein dritter Hubschrauber mühte sich an der Südseite des Helicopter Hill hinauf. Alles verfolgte lauschend seinen Flug. Pallack redete über Funk mit dem Piloten, und der Senior Squid bereitete die Verwundeten des Vortags für die Evakuierung vor. Zwei der ursprünglich fünf Notfälle lebten noch. Einer davon war Merritt, der immer noch sagte, er werde das nie vergessen. Sheller sagte, er auch nicht. Sheller und der Sanitäter des Zweiten Zugs legten Merritts stinkenden Körper auf einen zwischen zwei Stangen geknöpften Poncho und trugen ihn zu einem zerfurchten Stück flachem Gelände an der Ostseite des Bergs, abseits des Feuers der automatischen Waffen, um auf den Hubschrauber zu warten.
Mellas sah zu, wie der Hubschrauber aus dem Nebel auftauchte. Pallack zündete eine gelbe Nebelgranate, und wieder begannen die Mörsergranaten auf dem Helicopter Hill einzuschlagen.
Der Pilot sprach in ruhigem, bedächtigem Ton mit Pallack. »Okay, Junge. Wo her schießen sie? Wo hin sie schießen,
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