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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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goss Wasser aus seiner Feldflasche in die Dose und stellte sie auf ein kleines Stück C 4 -Plastiksprengstoff. Die untere Hälfte der Tasse war vom oftmaligen Erhitzen stahlblau verfärbt.
    »Die ganze Scheißgegend ist voller Flugblätter, auf denen steht, dass das hier eine Feuer-frei-Zone ist«, sagte Fitch.
    »Sie wissen doch, dass die nicht lesen können«, sagte Mellas gereizt.
    »Scheiße, Mellas«, mischte sich Hawke ein. »Natürlich weiß er das. Wollen Sie etwa Ihr Störfeuer abblasen, bloß weil dabei vielleicht irgendein verirrter Bergbewohner draufgehen könnte?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin hier der Neue«, fauchte Mellas. Er war so müde, dass er bereits bedauerte, das Thema überhaupt angeschnitten zu haben.
    Hawke zündete das C 4 an, und eine blendend weiße Flamme hüllte die Dose ein, ließ sie kirschrot erglühen und brachte das Wasser praktisch sofort zum Brodeln. Der Vorgang unterbrach das Gespräch, bis die Flamme erlosch. Behutsam berührte Hawke den behelfsmäßigen Becher, der nun mit kochendem Kaffee gefüllt war. »Also gut, dann sag ich’s Ihnen«, meinte Hawke. »Sie blasen es nicht ab. Jim ist so oder so der Dumme. Wenn wir angegriffen werden, und er hat kein Stör- und Abriegelungsfeuer angefordert, ist er angeschissen. Wenn er welches anfordert, und ein Bergbewohner geht drauf, ist er auch angeschissen. Seit Trumans Abgang hat sich einiges geändert. Der Schwarze Peter ist jetzt bei uns.«
    Fitch lächelte, dankbar für Hawkes Unterstützung.
    Mellas, dem es leidtat, dass er die Beherrschung verloren hatte, senkte den Blick auf den Boden. »Sie haben immer noch nicht gesagt, warum«, sagte er.
    »Damit Sie nicht den Arsch weggeballert kriegen, darum«, sagte Hawke, den Mellas’ gesenkter Blick milder stimmte. Wieder berührte er leicht den Henkel der Tasse, die er nun, da sie ihm genügend abgekühlt erschien, mit Daumen und Zeigefinger vom Boden nahm.
    »Wenn Sie das Störfeuer abblasen«, sagte Fitch, »kreuzen die Gooks hier auf, als wäre es eine Autobahnauffahrt. Scheiße, meine Truppen haben Vorrang vor jedem verirrten Bergbewohner, und das bleibt auch so. Das habe ich schon vor langer Zeit beschlossen.« Er blickte rasch zum dunkler werdenden Himmel auf; seine plötzliche Ansprache war ihm offenbar peinlich.
    Hawke hielt Mellas den dampfenden Becher Kaffee hin. »Hier. Nehmen Sie.«
    »Nein, das ist Ihrer«, sagte Mellas.
    »Ich mache die schnellste Tasse Kaffee im ganzen Eye Corps. Diese kleine Tasse habe ich, seit ich hier bin. Sie ist der nie versiegende Quell alles Guten und heilt alle Übel.« Er lächelte und bedeutete Mellas erneut, sie zu nehmen. »Sie kuriert sogar hitzige Temperamente.«
    Mellas musste lächeln. Er nahm die Tasse. Der Kaffee war süß und gut.
    Später in dieser Nacht lag Private First Class Tyrell Broyer aus Baltimore, Maryland, der zum ersten Mal auf Horchposten war, in der Schwärze außerhalb der Umzäunung zitternd auf dem Bauch, und der Regen sickerte durch seinen Poncho. Jancowitz hatte ihn mit Williams aus Cortells Trupp zusammengetan, einem gutmütigen Typen, der auf einer Ranch in Idaho aufgewachsen war. Williams’ verdreckte Stiefel lagen neben Broyers Gesicht und umgekehrt, damit sie einander den Rücken deckten. »Was ist das für ein Geräusch?«, flüsterte Broyer.
    »Der Wind. Halt die Klappe.«
    Broyer war versucht, hektisch den Sprechknopf des Funkgeräts zu drücken, bloß damit jemand mit ihnen redete. Ob einer der Lieutenants sauer auf ihn wurde, weil er Schiss hatte, war ihm egal. Wieder zitterte er. Plötzlich ertönte ein schwirrendes Geräusch. Sofort erstarrten die beiden, ihre Gewehre schoben sich langsam vorwärts.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, flüsterte Broyer. »Hoch in der Luft.«
    »Keine Ahnung. Fledermäuse? Halt endlich die Klappe, verdammt.«
    Williams bewegte sich, und sein Stiefel traf Broyer im Gesicht. Broyer unterdrückte einen Fluch und schob sich die Brille wieder auf die Nase, wobei ihm die Ironie der Situation durchaus bewusst war – er konnte ohnehin nichts sehen. Langsam schob er Williams’ Stiefel weg. Er legte die Stirn auf die Fäuste, damit die Brille den Boden nicht berührte, und roch die feuchte Erde, spürte die kalte Kante seines Helms im Nacken. Er packte eine Handvoll Lehm und quetschte ihn, so fest er konnte. Er wollte seine Angst in den Lehm quetschen, damit er sie wegwerfen konnte. Ein Windstoß schlug gegen sein feuchtes Hemd und jagte ihm einen kalten Schauer über den

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