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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Pfoten.«
    »Sie reden von Ihrem kommandierenden Offizier, Staff Sergeant Cassidy«, sagte Knapp ruhig.
    Cassidy schluckte. »Ja, Sergeant Major.« Er spürte, wie sein Gesicht brannte. »Wenn wir angegriffen werden, dann von Spezialtruppen, die sich nachts an uns ranschleichen. Die Gooks greifen uns nicht mit Artillerie an. Die verschwenden keine Munition, die sie nachts vierhundert Meilen weit unter ständigen Luftangriffen auf so einen Scheißberg geschleppt haben.« Der Sergeant Major hörte gelassen zu. Jüngeren Unteroffizieren zuzuhören, gehörte zu seinem Job. Cassidys Stimme wurde drängender, als er Knapps Gleichgültigkeit spürte. »Sie schleichen sich an einen ran, verdammt noch mal. Man muss hinhören, um die kleinen Scheißer zu bemerken. Ich verstehe nicht, wieso die Männer ihre eigenen Scheißsärge bauen sollen.«
    »Und was genau soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
    »Ich bin keine Scheißheulsuse, Sergeant Major, und wir sind eine gute Kompanie Marines. Wir kriegen alles hin, was man uns sagt, und zwar ohne Gejammer, aber ich glaube, der Colonel versteht die Situation nicht, das ist alles. Das hier ist nicht Korea. Vielleicht könnten Sie mit ihm reden.«
    »Warum macht das nicht Lieutenant Fitch?«
    »Der hat’s wohl schon versucht.«
    »Was kann ich dann noch tun?«
    Cassidy erkannte, dass der Sergeant Major sich nicht gerade zerreißen würde, um einem jungen Staff Sergeant zu helfen, der sich überarbeitet und unterbezahlt fühlte.
    Knapp stand auf und klopfte Cassidy auf die Schulter. »Ich sage Ihnen was, Staff Sergeant Cassidy, ich sehe zu, dass ich ein paar Männer abstellen kann, die Ihnen helfen, sobald wir mit dem Befehlsstand hier fertig sind. Vielleicht kann ich sogar ein, zwei Kettensägen organisieren. Mein Gott, wir helfen doch gern. Einfach nur fragen.«
    Cassidy ging müde den Hang hinunter, und dabei war ihm bewusst, dass er nicht nur beim Sergeant Major verschissen, sondern auch die Jungs in der Kompanie enttäuscht hatte. Er verfluchte sein Temperament.
    Am nächsten Morgen warf sich ein ausgewachsener Orkan gegen den Berg. Man konnte sich den ganzen Tag nur wie in Zeitlupe bewegen, herumgestoßen vom Wind und behindert von kalten Händen, die das Festhalten von Klappspaten und Messern mehr als sonst erschwerten. Mellas empfand es als grausam überflüssig, die Knochenarbeit des Grabens und Hackens wieder aufnehmen zu müssen, wo sie gerade den Punkt erreicht hatten, an dem sie hätten anfangen können, an ihren Unterkünften zu arbeiten. Sie gruben und hackten, fanden den Sinn ihrer Handlungen in den kleinen prosaischen Aufgaben und verbannten die größeren Fragen, die sie nur in die Verzweiflung getrieben hätten, aus ihren Gedanken.
    Vancouver und Conman wechselten sich damit ab, Sandsäcke zu füllen, wobei einer den Sack offen hielt, während der andere den klebrigen Lehm hineinschaufelte. Für Vancouver war jeder Sandsack bloß das, nichts weiter – ein gefüllter Sandsack, dem der nächste folgte. Von dem kleinen Klappspaten brannten seine Blasen und Schnittwunden. Er sah zu, wie sich das Blut und der Eiter an seinen Fingern und Handgelenken mit dem Dreck und dem Regenwasser vermischte. Gelegentlich hielt er inne, um sich die Hände an der Hose abzuwischen, ohne auch nur daran zu denken, dass er darin schlafen musste. Über kurz oder lang hatte sowieso alles die gleiche schmierige Konsistenz und vermischte sich mit dem Urin, den er nicht ganz einhalten konnte, weil ihm so kalt war, dem Sperma von seinem letzten feuchten Traum, dem Kakao, den er am Tag zuvor verschüttet hatte, dem Rotz, den er daran abgestreift hatte, dem Eiter von seinen Hautgeschwüren, dem Blut von den geplatzten Egeln und den Tränen, die er wegwischte, damit niemand sah, dass er Heimweh hatte. Abgesehen von seiner Größe und der Rolle, die er übernommen hatte oder in die er hineingeraten war, unterschied sich Vancouver nicht von irgendeinem anderen Teenager des Zuges. Er wusste, dass die Rolle den anderen Mut machte, und er musste zugeben, dass er sie wegen ihrer Wirkung auf seine Freunde und auf ihn selbst gern spielte. Ihm gefiel die Achtung, die man ihm entgegenbrachte – er war ja fast schon eine Berühmtheit. Aber ihm war bewusst, was sie ihn kostete. An der Spitze zu marschieren, machte ihm jedes Mal Angst, doch irgendetwas zwang ihn, es jedes Mal zu tun.
    Broyer schätzte, dass er sechzehn von den kleinen Stämmen brauchte, um ihren Bunker fertigzustellen. Er kniete sich vor den

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