Matthews & Brooks - Mein totes Herz ist Dein (German Edition)
Kopfschmerzen, versuchte er seine derzeitige Lage zu erfassen und eventuelle Möglichkeiten abzuwiegen. Man hatte ihm keinen neuen Aufpasser zur Seite gestellt, eingeschlossen hatte man ihn ebenfalls nicht. Also drehte er mehr als langsam den Türknauf und steckte vorsichtig die Nase ins Freie. Die Tür quietschte leicht als er sie Stück für Stück immer weiter aufzog. Noch kam niemand um ihn aufzuhalten, was ihn ein bisschen mutiger machte und ihn weiter vorrücken ließ. Der Bereich vor seiner Unterkunft, oder Zelle wie er es insgeheim schimpfte, war in zwielichtiges Dämmerlicht getaucht. Am Ende des Ganges, hinter der Tür zu Benders Werkstatt, hörte er leise Geräusche, ansonsten war alles still. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit von diesem Luftschiff herunterzukommen, ohne sich dabei den Hals zu brechen. Immerhin schien es noch immer nicht frei zu fliegen, sondern immer noch fest verankert zu sein. In solch einer Situation sollte man nichts unversucht lassen, um einen Ausweg zu finden, sollte die Lage auch noch so hoffnungslos erscheinen. Leider war er nicht geübt in derlei Dingen und stellte sich demnach auch etwas zu ungeschickt an, als er sich an Benders Zimmer vorbei zu schleichen versuchte und so leicht wie möglich auf dem Holzboden auftrat. Er bewegte sich in Zeitlupentempo fort und war schon so gut wie vorbei, als er über seine eigenen Füße stolperte und der Länge nach hart auf dem Boden aufschlug. Dabei berührte er eine kleine steinerne Säule im Griechischen Stil, die einen mittelgroßen Gegenstand aus Metall trug und brachte beides gleich mit sich zu Fall. Es entstand ein Höllenlärm, den man unmöglich überhören konnte, wenn man nicht völlig taub war. Sogleich wurde auch schon die Tür, an die Harris sich so mühevoll beinahe vorbeigeschlichen hätte, weit aufgerissen und Bender streckte seinen Kopf heraus. „Ah Harris, ich hatte mich schon gefragt, wann Sie einen Fluchtversuch starten würden.“, Belustigung schwang in seinen Worten mit. „Jetzt machen Sie nicht so ein entsetztes Gesicht, Sie wären niemals lebend von diesem Luftschiff heruntergekommen, glauben Sie mir. Kommen Sie rein!“, er trat zur Seite um Platz für den Professor zu machen. Ertappt wie ein kleines Kind beim Süßigkeiten stibitzen, ging Harris der Aufforderung gehorsam nach und schritt mit gesengtem Kopf an ihm vorbei. Er schämte sich, weil er sich so tollpatschig angestellt und Bender ihn entdeckt hatte. Andererseits war das vielleicht sogar sein Glück gewesen, wenn man Benders Worten Glauben schenken konnte. Oder wollte dieser ihn nur an einen weiteren Fluchtversuch hindern? Leider war er zu feige, um das herauszufinden. Hilfe war auch noch keine in Sicht, jedenfalls hatte er noch nichts dergleichen bemerkt. Es war zum Mäuse melken, er konnte nichts weiter tun, als sich seinem Schicksal zu ergeben und sich den Befehlen seiner Entführer zu beugen. Also konnte er sich auch genauso gut auf den Stuhl setzen, der ihm freundlicherweise von diesem Widerling Bender angeboten worden war. So konnte er seine Arbeit vielleicht sogar noch ein bisschen länger hinauszögern und gegeben falls ein paar Informationen über das ganze Vorhaben sammeln. Er wandte sich an Bender: „Wie sind Sie hierher gelangt? Wurden Sie ebenfalls entführt, oder hat man Sie besser behandelt als meine Wenigkeit?“, er lachte sarkastisch auf. „Hier wird ein Gast ja erst gar nicht eingeladen, sondern gleich gewaltsam hergebracht.“, ärgerlich verschränkte er die Arme vor der Brust und grummelte vor sich hin wie ein alter Bär. Bender lachte und gab ihm eine ehrliche Antwort: „Ich bin freiwillig hier, Professor! Es ist mir gleich wie man mich behandelt, solange man mich meine Arbeit machen lässt und mich mit ausreichend Materialien versorgt. Glauben sie mir, noch nie hatte ich so hochwertiges Material zur Verfügung wie hier. Was will ich denn mehr? Ich war nichts als ein armer Schlucker bevor ich hierher kam, mit einer großen Leidenschaft fürs Hobby und mit durchaus viel Talent. Aber wen interessiert schon Leidenschaft und Talent, wenn man arm ist wie eine Kirchenmaus?“, er zuckte mit den Schultern. „Hier habe ich alles was ich brauche und noch wesentlich mehr. Endlich kann ich meine Fähigkeiten auch ausleben, ohne zu verhungern.“ Harris konnte dies jedoch keinesfalls als Entschuldigung gelten lassen. Für ihn gab es einfach keinen akzeptablen Grund, um sein Land zu verraten und sich mit dem Feind zu verbünden.
Weitere Kostenlose Bücher