Matthews & Brooks - Mein totes Herz ist Dein (German Edition)
Andererseits hatte er auch noch nie zur Unterschicht gehört und konnte also deren Denkweise gar nicht so recht nachvollziehen. Wer konnte schon sagen, wohin die Armut einen so treiben konnte? Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, stattdessen fragte er: „Warum wäre ich nicht lebend von diesem Luftschiff heruntergekommen? Wollen Sie mich etwa aufhalten?“ Wieder fing Bender an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Ich doch nicht, das würde ich mir nie erlauben, Professor. Aber was rede ich lange um den heißen Brei herum? Kommen Sie!“, er machte die Tür auf, führte Harris an der gesprungenen Steinsäule vorbei und lugte vorsichtig um die nächste Ecke. „Da! Sehen Sie selbst!“, er machte dem Professor Platz und blieb nahe an die Wand gedrückt stehen.
Harris beugte sich vor und blickte um die Ecke, genau wie Benders es vor ihm getan hatte. Zuerst sah er nur einen hellen leeren Gang, aber ein paar Sekunden später hörte er etwas, dass ihn erschrecken ließ. Noch immer war nichts zu sehen, aber dieses Geräusch ging ihm durch Mark und Bein. Es klang als würde jemand etwas Schweres aus Metall immer wieder mit Mühe hochwuchten und wieder absetzen. Dieses Geräusch kam ihm bekannt vor, aber irgendetwas war anders daran. Es war lauter als sonst und ein quietschen war auch dabei. Wo hatte er es schon einmal gehört? Er war noch immer am überlegen, als die Antwort auch schon auf den Gang trat.
„Mechanische Männer!“, flüsterte er voller Ehrfurcht. Sie sahen anders aus als die, die Harris kannte. Sie waren angerostet, die synthetische Haut hing in Fetzen an ihnen herab, sie liefen schwerfälliger und waren definitiv bewaffnet. Es waren vier an der Zahl und jeder von ihnen hielt eine riesige Armbrust in den Händen. Ihre Augenhöhlen waren leer, wie bei einem Totenschädel, dennoch schienen sie ihre Umgebung genauestens zu beobachten. Es waren Wächter, die ohne zu zögern von ihren Waffen Gebrauch machen würden um damit zu töten. Bender hatte recht, er wäre niemals lebend an diesen Männern vorbeigekommen. Seine Tollpatschigkeit hatte ihm dieses Mal wohl das Leben gerettet.
22
Eine erstaunliche Entwicklung
Zum Glück hatte der Kutscher ihn sofort erkannt und seine Pferde schleunigst zur Eile angetrieben, anstatt unangenehme Fragen zu stellen. Sir Shane hatte schon des Öfteren seine Dienste in Anspruch genommen, wenn Sebastian gerade nicht zur Stelle war. Der Mann wusste wo er hin musste und war es auch gewohnt Sir Shane etwas ramponierter vorzufinden. Es war wirklich ein Segen, dass ausgerechnet dieser Kutscher aufgetrieben worden war. Kein anderer hätte ihn so ohne weiteres einfach mitgenommen, ohne sich an einen Bobby zu wenden. Schließlich war er blutverschmiert und es war die Pflicht jeden Bürgers solch einen Fall zu melden.
Die Droschke schaukelte und rüttelte über das unebene Pflaster, anfangs zuckte Sir Shane bei jedem Schlagloch sichtlich zusammen. Er biss die Zähne so feste aufeinander, dass ihm der Kopf dröhnte. Zurückgelehnt versuchte er sich zu entspannen, seinen Herzschlag zu verlangsamen und wieder ruhiger und kontrollierter zu atmen. Das hatte ihm bisher immer geholfen und auch dieses Mal schien sein Körper sich zu beruhigen, die Wunde schien weniger zu pochen und es war kein frisches Blut durch den Stoff gesickert. Erschöpft fragte er sich, ob das vielleicht daran lag, dass er bereits zu viel Blut verloren hatte und er deshalb eine Art Taubheit spürte. War er noch schwerer verletzt als angenommen? Die Haut um die Wunde herum fing an zu jucken, so wie es üblicherweise der Fall ist, wenn eine Verletzung zu heilen beginnt.
Er war beinahe eingeschlafen, als die Droschke auch schon vor seinem Haus anhielt, jemand die Tür aufriss und er stützend zur Tür geleitet wurde. Er spürte so gut wie gar keine Schmerzen mehr, mühelos legte er den Weg zurück und schaffte es, empfangen von seinem Diener, ins Haus.
Maxwell schüttelte tadelnd den Kopf. „Am besten wir befreien sie erst einmal von diesem blutigen Fetzen, Sir! Danach werde ich die Wunde gründlich säubern und nähen, was sicher nötig sein wird.“, er machte Anstalten den improvisierten Verband zu entfernen. Sir Shane hielt ihn jedoch verwirrt davon ab. Irgendetwas stimmte nicht, es war total merkwürdig und kaum vorstellbar, aber er hatte so gut wie gar keine Schmerzen mehr und fühlte sich auch schon fast wieder ganz normal. Er bat Maxwell ein heißes Bad für ihn einzulassen, schickte seinen
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