Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
dunkles Auto schlich langsam die Straße hinunter, die Lichtkegel der Scheinwerfer zitterten voraus. Der Wagen verschwand, ein Fahrradfahrer fuhr ohne Beleuchtung im matten Schein der beiden Straßenlaternen, die sich auf den Straßenseiten gegenüberstanden.
»So ein Mist«, sagte Lily, und Matti kehrte ins richtige Leben zurück. »Ich habe jetzt gesucht und einen Haufen Links zu der Datensammlung gefunden, aber die Links gehen alle ins Leere. Bisher. Irgendwo muss das doch sein.«
Twiggy, dachte Matti, wie immer in solchen Fällen elektronischer Aussichtslosigkeit.
»Soll ich Twiggy eine SMS schicken? Der findet das.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist das Persönlichkeitsschutzrecht, das hier zuschlägt. Völlig absurd in dem Fall.« Sie schüttelte wieder den Kopf.
»Da haben wir’s doch. Ach nee, eine schlichte Textdatei … gut, dann lade ich das Teil herunter.«
In einem kleinen Fenster wurde der Download von MA_Stasi.txt bestätigt.
»Schön, schön«, sagte sie. »Das ist ja richtig spannend.« Sie legte ihre Hand auf seine, die immer noch auf ihrer Schulter war. »Das mit Konny ist wirklich scheiße«, murmelte sie. Als die Datei gespeichert war, öffnete sie diese und gab den Suchbegriff »Entenmann« ein. »Davon gibt’s nur einen. Vielleicht hatten die noch einen Erpel …« Sie kicherte. »Da ist er, Werner heißt er auch, und der Doktor darf nicht fehlen. Wahrscheinlich ein waschechter Potsdam-Titel, womöglich vom Doktorvater Mielke persönlich.«
»Und was heißt der Zahlensalat?«, fragte Matti.
»Diensteinheitenschlüssel, Personalnummer, Gehalt, etwas davon, alles zusammen, was weiß ich.«
»Also muss ich jemanden suchen, der sich mit dem Zeug auskennt.«
Sie stand auf, nahm ihn in den Arm, küsste ihn sanft und sagte lächelnd. »Du hast ihn schon gefunden. Ich kenne da einen Kollegen …«
Schon hatte sie das Telefon in der Hand. »Frank, die Stasi-Datei, du hast doch mal einen von denen vertreten. Kannst du den Zahlensalat erklären … gut, ich schick’s per Mail.«
Sie setzte sich wieder an den Computer, kopierte die Entenmann-Zeile in eine Mail und schickte sie ab.
Dann führte sie ihn zurück in die Küche. »Ich habe noch einen Nachtisch«, aber Matti schüttelte den Kopf. Er goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich.
»Früher warst du so … nervös«, sagte er nach einer Weile.
Sie saß mit dem Fuß des einen Beins unter dem Oberschenkel des anderen auf dem Stuhl. »Ich war jünger«, sagte sie. »Ziemlich unreif, ich geb’s zu. Weißt du, ich habe mir dauernd was beweisen müssen.« Sie schaute ihn fragend an, dann: »Ich war schrecklich, nicht wahr?«
»Irgendwie schon«, erwiderte er. »Aber nicht nur. So was dazwischen.«
»Sehr differenzierte Analyse.«
»Okay, schrecklich.«
Sie lachte, hielt sich aber die Hand vor den Mund. »Mein Gott, der arme Konny, und ich rede nur Scheiße.«
»Das ist das Beste. Wenn wir nur herumsäßen und uns an Trauerkloßigkeit überträfen …«
Sie seufzte. »Ich kann mit solchen Situationen schlecht umgehen, eigentlich gar nicht.«
Sie saßen schweigend und tranken. Beide hatten ihre Gläser schnell leer, und Lily schenkte nach.
Das Telefon lag auf dem Tisch. Als es klingelte, fuhr Matti zusammen.
»Ja? Frank! … hm … ach du lieber Himmel … okay … klar. Vielen Dank, ich revanchiere mich.« Sie lachte hell und legte auf.
»Also, der Erpel ist Oberst in der Abteilung X der HVA gewesen, die war zuständig für Desinformation. Die geheimste Abteilung der Stasi, tätig vor allem in Westdeutschland. Frank sagt, mit dem Dienstgrad war der Typ stellvertretender Abteilungsleiter. Er könnte auch Chef gewesen sein, aber den Chef kennt Frank, und davon gab es nur einen.«
»Puh!«, sagte Matti. »Klingt so, als wären wir an den Richtigen geraten.« Nach einer Weile. »Was hat so jemand mit Röhren zu tun?«
»Frank hat auch gesagt, dass er sich mit dem nicht anlegen würde.«
»Da hat er recht.« Er trank einen Schluck, behielt das Glas in der Hand und stierte hinein, als könnte er dort die Wahrheit finden. »Der Typ hat Konny auf dem Gewissen.«
»Die Polizei sieht das aber anders.«
Er schaute sie lange an. Bisher hatte sie es ihm geglaubt. Jetzt wollte sie ihn bremsen, sie hatte offenkundig Angst, dass er sich mit Entenmann anlegte. Sie war wirklich anders geworden als früher, verantwortungsbewusster, reifer. Nur, diese Wohnung passte nicht zu ihr.
»Komm, wir gucken mal, ob die anderen Typen, diese
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