Mattuschkes Versuchung
überhaupt leisten? Also für mich wäre es undenkbar.«
Es war immer dasselbe, sie würde sich nie ändern, aber aus der Distanz war es zu ertragen, die Vorstellung, noch einmal unter einem Dach mit ihr zu wohnen, allerdings nicht.
Jahre zuvor nach Martines Tod verfiel Mattuschke in tiefe Depression, begünstigt durch den völligen Bruch mit Kornfeld. Zwar hatte man sich vorher geschäftlich getrennt, aber die freundschaftliche Verbindung hatte weiter Bestand, bis sie unwiderruflich aufgekündigt wurde.
Er vermisste Martine, vermisste sie so, wie sie früher war.
»Ich will keine Einzelheiten wissen, das Ganze gefällt mir ganz und gar nicht, wir liegen nicht mehr auf der selben Welle Heinz, mit Martine ist uns eine Tochter gestorben«, lautete Kornfelds definitiver Entschluss. Hätte er nicht seine Leute gehabt, die treu zu ihm standen, wäre seine Firma gescheitert, er hatte in dieser Zeit jegliches Interesse daran verloren, durchlebte lange Phasen inneren Stillstands, tief greifend schmerzender Gleichgültig- und Kraftlosigkeit.
Erst das Gespräch mit einem dynamischen Mann, den man ihm als Leiter seines Maschinenbau-Unternehmens vorschlug, veränderte seine Stimmung. Lustlos war er nach Stuttgart gefahren, um die unvermeidbaren Formalitäten zu erledigen. Dort lernte er den zielstrebigen Wollhüsen kennen, nur wenig jünger als er, der darauf brannte, den Betrieb zu leiten, ehrgeizig, aber mit der Geduld, keine überhasteten Entschlüsse zu fassen. So war ich auch einmal, dachte er, vieles an ihm erinnert mich an die Zeit, als ich bei Kornfeld begann. Seine Furchtlosigkeit, aber auch der Respekt vor den Aufgaben und seinen Partnern. Er hatte nicht das Geschliffene, das ihn damals auszeichnete, aber einen Ideenreichtum, der ihn aus der Lethargie riss und begeisterte. Es gefiel ihm, was er vorschlug, neue Strategien, Verbesserungen im Ablauf, die weder ihm noch dem bisherigen Leiter eingefallen waren. Was ungewöhnlich war und Mattuschke über sich selbst wundern ließ, er stellte den jungen Mann mit respektablem Gehalt ein und bot ihm direkt eine Beteiligung an, die sich je nach Entwicklung erhöhen könne. Aus einem Bauchgefühl heraus hatte er entschieden; wie richtig er damit lag, erfuhr er Monate später, als die Konkurrenz hartnäckig versuchte, ihn mit besserem Gehalt abzuwerben. Die Beteiligung war die lukrativere Perspektive und er wusste, wohin er das Unternehmen bringen könnte. Die Begegnung mit Wollhüsen und seinem ,alter Ego' war wie ein Weckruf. Die alte Energie kehrte wieder, er fand in seine Bahn zurück, engagierte Frau Schlemil als Haushälterin, die ihm das Haus sauber hielt, kochte, und das Appartement im Haus bewohnte.
Etwa zu dieser Zeit traf er Britta; er erschrak über ihr Aussehen. Wo war die Fröhlichkeit, das liebevolle Lächeln und die innere Sonne, die sonst aus ihr leuchtete? Sie verbrachten den Nachmittag gemeinsam; auf sein Drängen hin erzählte sie ihm von den letzten Jahren.
Guido Erlenbach, das schmucke Mannsbild mit dem einnehmenden Wesen und der Bodybuilder-Figur, der das Möbelhaus seines Vaters geerbt, den großflächigen Konkurrenten aber nicht mehr standhalten und nur noch das angeschlossene Beerdigungsinstitut retten konnte, lernte sie – makaber wie es war – bei einer Trauerfeier kennen. Seine ausgeprägte Freundlichkeit und Höflichkeit bescherte ihm viele Kunden. Perfekt organisierte er Trauerfeiern, kümmerte sich um jedes Detail und spezialisierte sich auf Grabreden, die den Verstorbenen so feinfühlig beschrieben, als hätte er ihn jahrelang verehrt. Der Zuspruch war so groß, dass er mehrere Mitarbeiter beschäftigte, sogar eine frühere Hotelmanagerin, die bei der Organisation ihr Know-how einbrachte.
Selten hatte Britta einen so bescheidenen, rücksichtsvollen, sensiblen Mann kennengelernt, der ihr jeden Wunsch zu erfüllen versprach. Man beneidete sie um das Frachtstück', das eigentlich in ein Museum, nicht in die Wirklichkeit gehöre. Britta, die außer Heinz und einigen Schwärmereien, keine Liebesbeziehungen hatte, verliebte sich in selbstaufgebender, bedingungsloser Weise. Alles stimmte, geistige Ebene, Interessen und körperliche Harmonie. Nach einem Jahr heiratete sie, gab Namen und Arbeit im Zirkus auf, half in seinem Unternehmen mit und wurde die glücklichste Frau der Welt. Er war sanft, liebevoll, warmherzig. Sie suchte nach jeder Möglichkeit, ihm ihre Liebe und Dankbarkeit für das geschenkte Glück zu beweisen.
Während sie durch
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