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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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schimmern wie die glänzende Oberfläche eines Stroms. Viele Menschen bewegten sich dort, schwebten fast, ohne Hast, saßen vor den Cafés und Restaurants oder strömten aus den kleinen Läden, die ihre Markisen zum Schutz vor der einfallenden Sonne weit hinausgefahren hatten. Louise bemerkte, dass auch sie sich der Fortbewegung anderer angeschlossen hatte und über den glatten Boden schlurfte, wie mit Pantoffeln, ohne die Füße, wie gewohnt, anzuheben. Eine ganz eigene Atmosphäre strahlte diese Straße aus, Leichtigkeit, Zeitvergessenes, Entspannung vermittelnde Geschäftigkeit, die gedämpfte Geräuschkulisse eines melodischen Orchesters. Sie flanierten vorbei an den historischen Fassaden der sie säumenden Häuser mit blassroten Dachziegeln und der Apotheke, der ältesten Europas aus den Anfängen des 14. Jahrhunderts. Die Abendsonne bemalte die alten Steine mit den langen Fingern ihrer Strahlen in warmen bunten Farben und brach sich sternförmig in den Fensterscheiben.
    Dubrovnik hatte, wie Mattuschke erläuterte, als freie Handels- und Seemetropole, durch die Rolandfigur belegt, schon sehr früh große Bedeutung, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch kulturell-wissenschaftlicher Hinsicht. Staunend standen sie vor der Renaissancefassade des Sponzapalastes, der seinerzeit als Zollhaus diente. An einem freien Tisch vor den Cafés, tranken sie ein kühles Karlovacko Pivo und ließen den Strom vorbeischlurfender Menschen auf sich einwirken. Einheimische, Touristen, Ladenbesitzer, alle schien es hinauszutreiben auf diese Meile, die sie anlockte wie eine Versammlungsstätte.
    »Nije sve tako sivo« (es ist nicht alles so grau), drang ein Song der Rockband Hlano Pivo (Kühles Bier) zu ihnen hinaus, zu dessen Takt Louise rhythmisch mit den Füßen wippte.
    »Wie kommt der Name Dubrovnik zustande?«, wollte sie wissen.
    »Der italienische Name war Ragusa, der kroatische hat sich aus Dubrava für Eichenwald entwickelt. Schutzheiliger ist St. Blasius, Sveti Vlaho, nach dem auch die prächtige Kirche benannt ist, die wir eben gesehen haben.«
    Sie nahmen die letzten wärmenden Sonnenstrahlen auf und kamen auf ihrem Weg zum Restaurant an einem imposanten Gebäude im Gotik-Renaissance Stil vorbei, mit reichem Marmor, feinen Kapitellen und kunstvoll gearbeiteten Simsen.
    »Kennst du das Gebäude?«, fragte Vera bewundernd.
    »Ja, es ist der Rektorenpalast aus dem 15. Jahrhundert, quasi der frühere Bürgermeister- oder Regierungssitz. Ist er nicht ein kulturhistorischer Diamant?« Vera nickte und ging um das beeindruckende Haus herum, um die feine Steinmetzarbeit zu bewundern. Louise war schon neugierig in den Innenhof vorgedrungen. Welch ehrwürdige Atmosphäre strahlte das Gebäude aus.
    »Es gibt eine originelle Geschichte zu diesem Palast«, machte Heinz sie neugierig. Er schmunzelte: »Ein diplomatischer Schachzug, den man bei uns auch einführen sollte. Damals waren Bestechung und Erpressung durchaus an der Tagesordnung und den Stadtvätern aus leidvoller Erfahrung bekannt. Deshalb wählte man den Rektor nur jeweils für einen einzigen Monat, dann trat wieder ein neuer an seine Stelle.«
    Louise schüttelte ungläubig den Kopf. »Der war ja noch nicht eingearbeitet, da musste er schon wieder gehen.«
    »Nun ja, für Feinheiten und Fachwissen hatte er seine Beamten oder Minister, er traf die Entscheidungen. Und das Verrückteste war, dass er den ganzen Monat über das Gebäude nicht verlassen durfte, weder tagsüber noch nachts. Damit wollte man jegliche Beeinflussung von außen ausschließen. Jede seiner Entscheidungen sollte nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden, ohne von bestimmten Interessenten manipuliert zu werden.«
    »Das ist ja irre, ähnliches habe ich noch nie gehört, ist er noch heute Verwaltungssitz?«
    »Nein, heute beherbergt er das National Archiv.«
    »Übrigens, der Innenhof steht voller Stühle?«
    »Du nimmst mir ja meine Überraschung weg«, sagte Mattuschke mahnend, »zur Zeit findet das Sommerfestival statt mit Konzerten in diesem Innenhof. Karten für das morgige habe ich schon bestellt, wenn ihr Interesse daran habt?«
    »Heinz, du bist ein Schatz«, schwärmte Vera, »es muss ein besonderes Erlebnis sein in diesem Ambiente.«
    Sie aßen gegrillten Fisch in einem über steile Stufen hinauf entdeckten Restaurant, der so frisch war, dass er keine Spur roch und fast noch mit den Flossen schlug, wie Heinz meinte.
    Am nächsten Tag hatte sich der Wind vollständig gelegt, es war

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