Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
Vom Netzwerk:
erkennen. Zur Zeit lief alles glänzend, ihm war eine großartige Idee gekommen, die satte Gewinne versprach. Bei dem bloßen Gedanken daran klopfte er sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Die meisten seiner für immer ,schweigenden Kunden wollten nicht mehr klassisch bestattet, sondern verbrannt werden. Deshalb hatte er mit Urs Rigoleit, seinem Schweizer Geschäftsfreund, ein sensationelles Verfahren ausgetüftelt: Kohlenstoff aus der Krematoriumsasche herauszufiltern und mit hohem Druck zu synthetischen Brillanten pressen zu lassen.
    In der Schweiz gab es keine Bestattungspflicht für die Asche. Wie gut würde er das den Angehörigen verkaufen. Der Verstorbene wird zum Brillanten an ihrem Finger. Warum seine Asche aufbewahren, wenn Sie ihn als Juwel verehren können? Hat nicht jeder den Wunsch, einen besonderen Wert nach seinem Tod zu hinterlassen? Die ersten Versuche waren vielversprechend, die Steine sahen verblüffend echt aus und schon lagen Bestellungen vor. Je nach Menge des enthaltenen Halbmetalls ,Bor variierte sogar der attraktive Blauton des Steins. Ja, ich habe gerade einen guten Lauf. Nur getrübt durch Brittas Zickigkeit. Warum war sie plötzlich so empfindlich? Scheidung? Welch kapriziöse Idee hatten sie ihr ins Hirn gesetzt? Aber das würde er noch geregelt bekommen.
    Als er in sein Auto steigen wollte, hörte er ein raschelndes Geräusch, drehte sich um, wurde von hinten gepackt, sein Mund mit breitem Klebeband verschlossen, Hände und Füße zusammengebunden.
    Mattuschke streifte wieder nachts an Häusern vorbei, kletterte auf Balkone, um interessante Einblicke zu erhaschen. Hitchcocks ,Fenster zum Hof wäre eine ideale Beobachtungsstation, dachte er. Manchmal hatte er Glück und konnte Zeuge unbekümmerten Wandelns werden, aber meist kehrte er frustriert zurück. Wie heute, als er artistisch einen Balkon erklomm, Zeuge eines nackt vor dem Spiegel hüpfenden Dickwansts wurde und sich vor Abscheu schüttelte. Der Kerl musste ihn bemerkt und angenommen haben, er hätte Freude an dem unästhetischen ,Tanz der Hormone' empfunden, denn er rief ihm – kaum hinuntergesprungen –, schwuler Spanner und eine Kanonade wenig schmeichelhafter ; Kosenamen nach. In ein Haus einzudringen, riskierte er nach der missglückten Aktion nicht mehr.
    Vera traf er häufiger, sie besuchte auch ihn gelegentlich, verliebt war er nicht, er mochte sie sehr, schätzte ihre kultivierte Art und ihr Verständnis, verbrachte gerne Zeit mit ihr, aber der erotische Reiz verflachte nach einigen ihrer, Präsentationen.
    Bei einer Grundstücksversteigerung lernte er den Intendanten des städtischen Opernhauses kennen, er bot auf eine Immobilie, die ihm langfristig Rendite zu versprechen schien. Als er noch mit Kornfeld zusammengearbeitet hatte, war es eine seiner bevorzugten Tätigkeiten, jetzt reizte es ihn einfach, sich nach langer Zeit wieder an dem spannenden Spiel zu beteiligen. Besonders erpicht war er auf das Grundstück nicht. Am Schluss boten nur noch er und ein vornehmer Herr ähnlichen Alters mit langem, gepflegt weißem Haar, der seinen Schal – wie Graf Danilo aus der lustigen Witwe – leger um den Hals geworfen hatte. Sicher ein Künstler, schloss er aus seinem Habitus. Sie waren gerade bei einem Betrag angelangt, den er sich als Grenzwert gesetzt hatte, als der Versteigerer vom Hocker fiel. Eigentlich fiel er nicht direkt vom Hocker, sondern mit dem Kopf auf das Pult, traf das gerade aufgefüllte Wasserglas, riss das Pult mit und stürzte von dort seitlich zu Boden in die Pfütze, den Hammer krampfhaft in der Hand. Die Versteigerung wurde wegen der Unpässlichkeit unterbrochen, der unter Diabetes leidende Versteigerer werde sie anschließend fortsetzen. Die Besucher vertraten sich draußen die Beine, dort traf er auf den Mitbieter.
    »Ich fürchte, der hochgetriebene Preis hat den Mann so überrascht, dass er vor Schreck vom Stuhl gefallen ist«, sprach ihn der Weißhaarige an.
    Mattuschke lachte: »Das hatte wohl andere Gründe bei dem Armen, wie groß ist denn ihr Interesse an dem Grundstück?«
    »Wissen Sie, wir wohnen im Haus daneben, und meine Frau hat es sich in den Kopf gesetzt, unbedingt dieses Grundstück für unsere Tochter zu erwerben. Sie wissen ja, wie das ist, wenn die Frauen eine Idee im Kopf haben; die Enkelkinder hätte sie gerne in der Nähe. Es wäre wirklich zu schön«, sagte er etwas verträumt, als sei es schon vergeben, »aber mit dieser Entwicklung hätte ich nicht gerechnet.«
    Mattuschke

Weitere Kostenlose Bücher