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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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Schönen und Bewunderten, nichts weiter.«
    »Nichts weiter, du sagst das so leichthin, als Schauspielerin öffne ich natürlich mein Herz und gebe dem Zuschauer Einblick in meine Seele und Empfindungen, aber offenbare ihm nicht meinen Körper, mein Intimstes.«
    »Und wenn die Rolle es von dir verlangen würde, das Drehbuch dich überzeugt hätte? Ich möchte dich keinesfalls auf eine ordinäre Ebene ziehen, sondern mir vorstellen, den wundervoll ästhetischen Anblick einer außergewöhnlichen Frau ohne ihr Wissen zu genießen. Wenn du so willst, schlüpfe ich auch in eine Rolle, in die eines Voyeurs, im Grunde Fiktion wie auf der Bühne.«
    Er hatte insgeheim befürchtet, Vera würde das Ansinnen brüsk zurückweisen, ihn beschimpfen oder verächtlich der Perversion schelten, aber sie tat es nicht. Im Gegenteil, sie sah ihn lange, aber mit mildem, fast verständnisvollem Blick an.
    »Wo liegt dein Problem Heinz, lass uns offen miteinander sprechen und nicht Versteck spielen, ich weiß, wie schwer es dir gefallen ist, mich um diesen Gefallen zu bitten? Aber ich muss mehr über dich wissen, bevor ich mich zu deiner Bitte äußern kann.«
    Ihre Stimme klang bestimmt, verwundert und, wie er glaubte, eine Spur liebevoll. So sprach er mit Vera über das, was er außer dem ratlosen Psychiater, bei dem es vielleicht noch immer nicht neutral roch, keinem Menschen zuvor je anvertraut hatte und es sich nie hätte vorstellen können zu tun, am allerwenigsten einer Frau. Er redete sich Nöte, Scham und den immer währenden Drang von der Seele, was ihn innerlich befreite, wie das Abrollen eines schweren Steins, der auf seiner Seele gelegen hatte.
    »Du bist nicht der einzige, der seine Veranlagung verheimlichen muss, ich kann vieles von dem, was du erlebt hast, nachempfinden. Ich liebe Frauen und musste es vor Eltern, Umfeld und Kollegen verstecken. Aber das, worum du mich bittest, kann ich nicht als bezahlte Dienstleisterin erfüllen. Diese Rolle sieht der Job nicht vor. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, erfülle ich dir deinen Wunsch, privat und ohne Bezahlung, heute nicht, hast du dafür Verständnis?«
    Vera hielt Wort und nahm ihn bei seinem nächsten Aufenthalt mit in ihre Wohnung. Obwohl sie als dunkelhaarige nicht seinem Idealtyp Frau entsprach, reizte es ihn sehr, diese starke, selbstsichere, schöne Frau mit seinen Augen zu besitzen und Lust in ihren Zügen zu erkennen, sie tat ihm den Gefallen als Freundin und in Vergeltung vieler Liebenswürdigkeiten und Großzügigkeiten. Sie wunderte sich selbst, dass es ihr nicht schwerer fiel. Zu Beginn war es ungewohnt, aber nach einer Weile gelang es ihr, den versteckten Beobachter im Nebenzimmer zu vergessen und sich ganz auf sich zu konzentrieren. Sicher half ihr die Vorstellung dabei, dass er, ebenso wie sie, von der gesellschaftlichen Norm abwich und nicht auf andere Weise Erfüllung finden konnte. Sie war sich nicht sicher, ob sie es bei anderer Veranlagung auch getan hätte. »Ist nicht das, was wir gemeinhin als Liebe ausgeben, häufig eine Art der Selbstliebe?«, sagte sie, »die Menschen lieben ein Ideal oder die Vorstellung, die sie davon haben und erfreuen sich daran. Bei der sexuellen Liebe finden sie ihre Erfüllung durch einen anderen Körper. Ist es bei dir nicht ebenso? Ehrlicher? Du spielst in diesen Augen-Blicken weder anderen, noch dir selbst etwas vor.«
    »Mein Handicap hat einen Vorteil, ich kann lieben, ohne abgewiesen, betrogen oder verletzt zu werden, ähnlich wie im Traum, in dem sich alles fügt, wie man es wünscht.«
    Er war seit langer Zeit wieder einmal so etwas wie glücklich. Das Erlebnis hatte ihn berührt und erregt, die Gefühle waren nicht so stark wie er sie bei wirklicher Heimlichkeit erlebte, aber ganz andere, als die bei professionellen Liebesdienerinnen, die nur zum Schein und für Scheine auf seine eigenwilligen Wünsche eingingen. Beide verband nun nicht nur Freundschaft und geschäftliche Interessen, sondern ein persönliches Geheimnis, das sie vor der Welt, die sie umgab, verborgen zu halten hatten. Er war Vera in einer Weise dankbar, die er nicht beschreiben konnte, für ihr Verständnis, das ihn in ihren Augen nicht erniedrigte, für die Freundschaft, auf die Verlass war und ihre besonderen Dienste.

Sichtlich guter Laune verließ Guido Erlenbach ein Etablissement, in dem man seine bizarren Wünsche restlos erfüllt hatte. Hier war er nicht zum letzten Mal, ließ seine anerkennende Miene und der freundliche Gruß zum Abschied

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