Mattuschkes Versuchung
erwehren, dass auch Vera die junge Frau sehr mochte, vielleicht mehr als das. Er musste auf der Hut sein, damit seine Pläne nicht gefährdet wurden. Ich sollte Amina einschalten, für Scheine war sie zu vielem bereit. Er hatte sich ihrer in den vergangenen Jahren öfter in delikaten Fällen bedient und war äußerst zufrieden mit ihrer Loyalität und Verschwiegenheit.
Louise telefonierte mit Gila und berichtete weiteres von den schönen Urlaubstagen am Meer. In der Försterklause herrschte am Vorabend ein derartiger Betrieb, dass sie nur das Freiluftkonzert in seinem einmaligen Ambiente erwähnen konnte. Als sie ihre Schilderungen beendet hatte, erzählte sie ihr von dem überraschenden Angebot, das ihr gerade die Universität unterbreitet hatte.
»Ich möchte ja gerne weg von Ulm, weil es für meine Entwicklung wichtig ist, aber nicht Hals über Kopf, so dass ich wohl annehme und in Ruhe sonstige Angebote sondieren kann. Ich habe gar nicht damit gerechnet, weil Weidenfels vorher nie etwas angedeutet hat.«
»Das freut mich für dich. Und bei der trauten Zwei- oder Dreisamkeit in warmer mediterraner Sonne sind keine Lustgefühle aufgekommen? Du kannst es mir ruhig sagen, ich schweige wie ein Grab.«
»Nein, ob du es glaubst oder nicht, alles war top korrekt.«
»Ich werde aus dem Mann nicht schlau, Louise, ich muss mein Männerbild dringend überarbeiten. Er ist doch alles andere, als ein Altruist. Sei auf jeden Fall vorsichtig.«
Seit dem gemeinsamen Urlaub am Meer frühstückte sie regelmäßig mit Mattuschke, nicht nur sonntags wie früher. »Hast du schon eine Vorstellung, was du beruflich machst nach Abschluss deines Studiums?«, fragte er beiläufig und schlug das Frühstücksei auf.
»Noch nicht so konkret, wahrscheinlich nehme ich zunächst das Angebot von Weidenfels als wissenschaftliche Assistentin an und überlege mir dann in Ruhe, wie es weitergeht.«
»Das finde ich sehr vernünftig, vielleicht kannst du ja noch promovieren, es wäre mir einen kräftigen Zuschuss wert, wenn meine tüchtige Assistentin den Doktortitel hätte«, blinzelte er ihr unternehmungslustig zu.
»Sonst hast du aber keine Wünsche?«, empörte sie sich, »ich bin erst mal heilfroh, dass ich diese Etappe bewältigt habe.«
»Weißt du Louise, man spricht heute so viel von Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung, du bist viel zu klug, um auf Worthülsen und Ideologien hereinzufallen. Die meisten würden dir raten, eine Arbeitsstelle weit weg von deinem Wohnort zu suchen, um dich in einem neuen Umfeld zu bewähren. Für manche mag das zutreffen, wenn sie noch zu Hause wohnen. Aber du lebst alleine, hast dich von deinem Elternhaus gelöst, durchgebissen und durch viele Kontakte ein Netzwerk geknüpft, das dir auf deinem beruflichen Weg von großem Vorteil sein wird. Es wäre weder klug noch volkswirtschaftlich sinnvoll, hierauf zu verzichten. Ich glaube, dein Professor Weidenfels hat das richtig erkannt, er scheint ein weitsichtiger Mann zu sein. Hast du es nötig, irgendwo weit weg als Nobody zu beginnen und dir alles, was du hier schon hast, mühsam neu zu erarbeiten?« Er grinste: »Schließlich schaden Beziehungen nur dem, der sie nicht hat.«
Louise hörte nachdenklich zu, von dieser Warte hatte sie das Ganze noch nicht betrachtet, unterschwellig war der Gedanke im Kopf programmiert, nach dem Studium fortzugehen.
»Du hast nicht unrecht Heinz, auch diese Aspekte müssen bedacht werden, einschließlich der Annehmlichkeiten, die ich hier genieße und bei einem Ortswechsel aufgeben müsste, von dem besten aller Vermieter ganz zu schweigen, den ich nirgendwo mehr finden würde.«
»Um ein Beispiel zu nennen, Rudinsky würde dich sofort einstellen, sein Betrieb hat inzwischen einen Umfang erreicht, der ihm über den Kopf wächst, und er expandiert ständig. Das wäre sogar noch ein bisschen Pionierarbeit und alles andere als uninteressant.«
»Ich könnte es mir vorstellen, bei den sympathischen Leuten.«
Mattuschke atmete unhörbar auf, die Gefahr eines Wegzugs schien vorerst gebannt. Er war in prächtiger Laune, das Verhältnis zu ihr wurde immer vertrauter, familiärer; er hatte die Gewissheit, sie vorsichtig lenken zu können, und wirtschaftlich wurde im wahrsten Wortsinn alles zu Gold, was er anfasste. Aus einem Impuls heraus hatte er den spekulativeren Teil seiner Aktien vor ein paar Monaten mit guter Rendite verkauft und den Betrag beim befreundeten Bankleiter vorteilhaft anlegen können. Warum er
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