Mattuschkes Versuchung
mit halb geschlossenen Augen und dachte an Zukolowski den Genießer.
Dass er am nächsten Tag nichts von Louise hörte, beunruhigte ihn, sie würde sein Angebot doch nicht ernsthaft ausschlagen wollen, was gab es da eigentlich zu überlegen? Hatte er irgendetwas übersehen, was ungeklärt blieb, sie zweifeln lassen konnte? Er wollte unbedingt, dass sie in der Wohnung blieb, war es gewohnt, Anweisungen zu erteilen, die befolgt wurden, gewohnt, dass man seine Wünsche respektierte. Er musste sich zwingen, der Versuchung zu widerstehen, an ihrer Tür zu läuten und nach der Entscheidung zu fragen. Sie sollte nichts von seiner Ungeduld erfahren und sich nicht gedrängt fühlen. Natürlich hätte er die offerierten Konditionen noch günstiger gestalten können, aber das hätte sein persönliches Interesse an ihrem Bleiben offengelegt und Misstrauen geschaffen. Das wollte er um jeden Preis vermeiden. Er musste sich zur Geduld zwingen.
Louise hatte eine unruhige Nacht und fand kaum Schlaf. Immer wieder ging ihr Mattuschkes Angebot durch den Kopf, rechnete sie die finanzielle Lage durch, verwarf die Idee zu bleiben und machte die Überlegung wieder rückgängig beim Gedanken, zu Hause einziehen zu müssen, wo ihre Mutter nur darauf wartete, sie mit Vorwürfen zu bombardieren. Sie habe es gleich gewusst, aber ihre Tochter sei die Kluge, die glaube, sich einfach über ihre reichhaltige Lebenserfahrung hinwegsetzen zu können. Das Angebot war zu verlockend. Gilas zögernde Antwort und verhaltene Begeisterung wollte sie nicht überbewerten, so sehr sie sich mochten, spielte sicher auch Eifersucht eine gewisse Rolle, denn eine Wohnung dieser Güte hatte Gila bisher nicht besessen, zumal für den Mietpreis. Am nächsten Morgen war sie entschlossen, zuzusagen. Allein der Umstand, direkt Geld annehmen zu müssen, ließ sie noch zögern, ihre Entscheidung mitzuteilen. Das war ihr peinlich, aber ohne gewisse Nachkäufe, die durch Ricks Auszug notwendig wurden, könnte sie nicht bleiben. Zumindest sollte Mattuschke nicht den Eindruck gewinnen, sie habe keinen Entscheidungsspielraum. Immerhin verblieb etwas Zeit, die sie trotz innerer Ungeduld nutzen wollte. Vorsorglich machte sie eine Aufstellung der Gegenstände, die sie dringend für den eigenen Hausstand benötigte. Außer dem Kleiderschrank, den er einzubauen versprach, käme sie auf eine Summe von über 4000.00€, schließlich gab es weder Tisch, Stuhl oder Sessel, noch einen Löffel in der Küche; eine preiswerte Musikanlage, mit der sie ihre Lieblingssongs hören könnte, schien ihr ebenfalls unverzichtbar und eine warme Winterjacke sollte auch noch dabei herausspringen. Sie hatte kürzlich eine wirklich flotte mit hübschem Pelzkragen entdeckt, viel zu teuer für ihre Verhältnisse, aber jetzt wäre es ja vielleicht möglich? Rick klingelte, wollte sie fahren, sie beeilte sich, verzichtete aufs Schminken, damit er nicht warten musste und zog schnell die Tür hinter sich zu. Er war von Mattuschkes Vorschlag nicht begeistert, von wegen Abhängigkeit, konnte aber keine andere Lösung anbieten, als die, mit Gila zusammenzuziehen und gemeinsam eine größere Wohnung in der Stadt zu mieten, von der man das meiste zu Fuß erreichen könnte.
Gegen Abend ging sie ins Silverspot; jetzt nachdem sie sich mit der Trennung von Rick abgefunden hatte, wollte sie sich nicht aus der Freundesrunde zurückziehen, sondern mit selbstbewusstem Auftreten ihre Berechtigung unterstreichen, auch solo vollwertiges Mitglied der Gruppe zu sein, nicht nur als Ricks Anhängsel. Außerdem reizte es sie, Sophies schlechtem Gewissen zu begegnen und die Reaktion der anderen bei ihrem Eintreffen zu erleben. Es war noch früh, nur Eric saß in der gewohnten Ecke mit Stift und einem Bogen Papier, den keine einzige Silbe zierte. Er kam sofort auf sie zu, drückte sein Bedauern über das Ende der Beziehung, seinen Ärger Sophie gegenüber und Erleichterung aus, sie – nicht besiegt fernbleibend – zu sehen. Sie sah seinen Augen an, dass er es ernst meinte und sie tatsächlich vermisst hatte. Außerdem brauche er sie ja als Ratgeberin für den großen Wurf seines Gedichts, von dem sie bisher nur die erste Strophe kenne. Er brannte darauf, ihr die inzwischen überarbeitete zweite vorzutragen. Aber für eine Fortsetzung der Dichterlesung hatte sie heute keinen Sinn, und so verwickelte sie ihn in ein Gespräch, um die Zeit bis zum Eintreffen der anderen zu überbrücken. Er nahm es enttäuscht hin. Als nächster
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