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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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Mattuschke ein. Der riesige Schreibtisch, quadratisch und an den Rändern umlaufend mit Intarsien versehen, bot ideale Möglichkeiten für Besprechungen im Kreis von vier Personen, Kornfelds engstem Vertrautenzirkel. Trotz seiner wuchtigen Größe stand er auf zierlichen, fein geschwungenen Füßen. Wahrscheinlich war das edle Stück sehr wertvoll, ging ihm in diesem Moment durch den Kopf. Hinter ihm hing das fast lebensgroße Ölbild eines Mannes mit markanten Zügen, eine Zigarre in der rechten Hand, vor einer schemenhaft kubistisch dargestellten Landschaft, im Stile eines Lyonel Feininger. Sein Vater schien es nicht zu sein, wahrscheinlich der Schwiegervater, aber er war nicht sicher.
    »Es ist eine zähe Angelegenheit«, sagte er gespielt zerknirscht und legte die Bestätigung des Bauamtes lässig auf den Tisch, während er winzige Schlucke des dampfenden Kaffees schlürfte.
    »Wem sagst du das«, stöhnte Kornfeld resigniert, »wenn es wenigstens einen Hoffnungsstrahl gäbe.«
    »Werfen Sie doch mal einen Blick darauf!«, Mattuschke verging fast vor Spannung.
    Kornfeld überflog das Schreiben. »Ich fasse es nicht, wie hast du das nur geschafft?«, er sprang auf, umarmte ihn, klopfte ihm auf die Schulter wie einem gehorsamen Pferd und geriet ganz außer sich.
    »Ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, wie ist es gelungen?«
    »Bleibt mein Geheimnis«, strahlte er.
    »Das muss gefeiert werden, das war dein Ritterschlag. Wer das fertig gebracht hat, der kann es sogar nach oben schneien lassen.«
    Kornfeld ließ sich nicht lumpen. Zuviel war ihm diese Sache wert. Er überließ ihm einen Teil seines Aktienbestandes und bot ihm eine von zwei insolventen Firmen mit hineingepumptem Betriebskapital an, die er gerade gekauft hatte. Eine Textilfabrik mit fünfzig Näherinnen und ein EDV-Unternehmen zweier junger Leute mit guten Ideen, aber völlig verschätzter Finanzplanung. Er entschied sich für die jungen Leute. Kornfeld lachte: »Hast wohl Manschetten vor einem größeren Unternehmen? Wie du möchtest.«
    Mattuschke sagte nichts, mit dem kleinen Betrieb würde er auf das richtige Pferd setzen. Im Textilbereich gab es so viele Unwägbarkeiten und Modetrends, die man falsch einschätzen könnte, aber dieser Branche gehörte die Zukunft, zumal zu diesem Zeitpunkt gegen Ende der achtziger Jahre. Außerdem gefielen ihm die beiden idealistischen Spezialisten, die brannten und gute Ideen für neue Programme und Internetplattformen hatten. Nur fehlendes Kapital bremste ihre Aktivitäten. Er unterhielt sich oft mit ihnen, schenkte ihnen Vertrauen, freie Hand und sollte dafür belohnt werden. Befreit von finanziellem Druck und persönlicher Belastung entfalteten beide eine Kreativität, die sich bald in barer Münze auszahlte. Er erkannte Potential und Entwicklung und machte sie zu Mitgesellschaftern, um ihre Abwerbung zu verhindern. Neue Programme entstanden aus ihrem Ideenfundus, Patente konnten an Konzerne verkauft werden. Er hatte eine Goldgrube in seinem Besitz.
    Hin und wieder besuchte er Etablissements, in denen Frauen auf sein Spiel versteckter Beobachtung eingingen, immer in der Vorstellung, Sina, die Vollkommene, unbemerkt betrachten zu können. Er erlebte zwar Befriedigung, aber der Reiz war nicht mit dem früherer Erlebnisse vergleichbar, weil es keine echten, nur simulierte Szenen waren. Einmal suchte er ein Edelbordell auf, wurde mit Chérie handelseinig, einer blonden Schönen, die Sina ähnlich sah. Hinter einem Paravent konnte er beobachten, wie sie sich auf dem Bett räkelte. Bevor er ging, fiel sein Blick aus dem Fenster des Erdgeschosses auf den Hinterhof, der Parkmöglichkeiten bot, was ihm vorher nicht aufgefallen war. So hatte er seinen Wagen einige hundert Meter entfernt abgestellt. Mit Chérie war er zufrieden, ihr fließendes langes Blondhaar konnte ihm für kurze Zeit die Illusion der schwebenden Sina vermitteln, er entlohnte sie großzügig. Draußen warf er noch einen Blick auf den Parkplatz für den Fall eines erneuten Besuchs, als er aus dem offenen Fenster Chéries spöttische Stimme hörte, die sich gerade mit einer Kollegin unterhielt:
    »Der verrückte Irre, wollte nur spannen und zahlt noch drauf, der hat garantiert keinen Schwanz.«
    Er konnte nur schwer ertragen, dass sich jemand über ihn und seine Defizite lustig machte. In dieser Hinsicht verfügte er weder über den Schutzfilm selbstsicherer Überlegenheit, noch den der Verachtung. Beider Gelächter hallte noch in seinen Ohren, lange

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