Mattuschkes Versuchung
besonders gefallen hat, harmonisch und ohne Strenge.«
»Ich sehe, du verstehst etwas vom Wein, das gefällt mir; es ist ein besonderes Stück Kultur, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Ich mag Bordeaux, am liebsten die aus dem Margaux.«
»Warum gerade die?«
»Sie erscheinen mir gefälliger als die Giganten aus dem Pauillac, haben größere Merlotanteile, ohne dabei Rasse und Finesse zu verlieren. Wie alt schätzt du diesen ein?«
Er erinnerte sich der Abende, an denen er mit ,Chapiteau zusammensaß und die Jahrgänge verdeckt probierter Weißweine schätzen sollte. »Ich kenne mich bei Rotweinen nicht so aus, aber er dürfte vielleicht fünfzehn Jahre auf dem Buckel haben.« Kornfeld lachte anerkennend. »Nicht schlecht probiert, er ist 18 Jahre alt, ein 1968er, gereift trinke ich ihn am liebsten. Chateau Siran, Prieuré-Lichine, Palmer und Margaux sind meine Lieblingsgüter. Eine Flasche Wein möchte immer geteilt werden, ich habe nie einen geizigen Weinliebhaber getroffen, sagt Clifton Fadiman, er hat Recht, am meisten Genuss bereitet er, in Gemeinschaft von anderen getrunken zu werden, die ihn schätzen. Wein ist Magie.«
Baudezernent Friedrich von Leuchtenburg, geborener Stadelmacher, der den Namen seiner adeligen Frau angenommen hatte, war ein schwer durchschaubarer Mann, der, wie Mattuschkes Recherchen ergaben, keine besonderen Schwächen zu haben schien, bei denen man ansetzen könnte. Da er wusste, welche Bedeutung das Projekt für Kornfeld hatte, war er besonders motiviert, außerdem interessierte es ihn brennend, auf welche Weise er sich ihm erkenntlich zeigen würde. »Ich habe meinen Kopf in den Rachen eines Löwen gesteckt, da wird es mir doch wohl gelingen, mit diesem Leuchtenburg fertig zu werden«, sagte er laut vor sich hin, »ich werde persönlich mit ihm sprechen.«
Er war ein aufgeblasener, bornierter, kleiner Mann mit fleischiger Nase und deutlicher Bauchfülle. Das, was dort zu viel des Guten war, fehlte ihm an Haaren auf dem Kopf, der mit seiner bescheidenen Pracht ungewöhnlich massig wirkte. Eine Zeit lang hatte er versucht, das Haar der rechten Kopfhälfte über die Glatze zur anderen zu ziehen, den lächerlichen Versuch aber schließlich aufgegeben. Das Alter forderte seinen Tribut unerbittlich. Seine herablassende Art ließ deutlich spüren, dass er es als Gnade ansah, ihn überhaupt empfangen zu haben.
»Drei Minuten Herr …, ach ich werde mir den Namen ohnehin nicht merken, mehr gibt's nicht, ich habe Wichtigeres zu tun.«
Auf seinem Schreibtisch lag die aufgeschlagene Seite eines Börsenmagazins. Mattuschkes Überredungskünste verfingen nicht. Um sich in der Sache nicht geschlagen zu zeigen, sagte er beim Hinausgehen frostig: »Das war nicht unser letztes Gespräch Herr von Leuchtenburg«, und verließ das Büro. Er zog Recherchen über die Familie ein, sie hatte zwei Töchter, die zum Gymnasium gingen, lebte in einem feudalen Haus, das er sich von seinem Beamtengehalt nicht hätte leisten können. Er war offenbar abhängig von seiner Frau und dem Wohlwollen derer von Leuchtenburg. Mattuschke ließ ihn überwachen. Aber er gab sich keine Blöße, der Mann ging nicht aus, machte alleine keinen Sport, hatte weder Skat- noch Kegelclub und spielte an jedem Wochenende brav Golf gemeinsam mit Frau und Schwager. Von einem seiner Leute, der mit dem Hausmädchen flirtete, erfuhr er, dass Frau von Leuchtenburg das Kommando führe und er völlig unter ihrem Pantoffel stehe, einer kalten, herzlosen Person, die nicht zögern würde, ihn bei einem Streit vor die Türe zu setzen. Er dagegen sonne sich im Glanz des Namens, sie genieße es, zur ersten Garde der Stadt zu gehören.
Er hatte sich schon entschlossen, die Überwachung einzustellen, als er einen Anruf seines Mitarbeiters erhielt, von Leuchtenburg verabschiede sich soeben liebevoll von seiner Frau und steige mit Reisetasche in den Wagen.
»Wahrscheinlich eine Dienstreise«, murmelte er und aus einer Eingebung heraus, »fahre ihm doch einfach mal nach Erich.«
Die Fahrt führte bis zum Bodensee, dort mietete er sich in einem kleinen romantischen Hotel ein. Erich ließ eine Weile verstreichen, dann erkundigte er sich an der Rezeption, ob das Ehepaar Leuchtenburg schon eingetroffen sei, man wolle es am Abend gerne überraschen. Bereitwillig erhielt er die Auskunft, die Herrschaften seien bereits auf ihrem Zimmer.
Mattuschke zögerte keine Sekunde, organisierte seine Tagesplanung um, fuhr zum Liebesnest und quartierte sich dort
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