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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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schnitt im gleichen Atemzug alles andere damit. Als es aufgehört hatte zu regnen, fand er im Garten reife Tomaten, die – welcher Frevel – ebenfalls vom Schinkenmesser zerteilt, in dünne Scheiben fielen. Wie oft in solchen Fällen schuf das improvisierte Essen eine Laune so heiter, dass man die trübe Tagesstimmung vergaß. Heinz gönnte ihnen mit lustigen Episoden aus der Zirkuszeit keine Pause zwischen den Lachschüben. Schließlich fielen sie müde in die Betten. Jeder hatte ein eigenes Zimmer. Das Gewitter war vergessen, es machte nur noch durch entferntes Grummeln und gelegentliches Wetterleuchten auf sich aufmerksam, der Wind heulte um das Haus und rüttelte ab und zu an den Fensterläden.
    Louise erwachte am Morgen von einem Sonnenstrahl, der durch das Fenster drang und ihr vorwitzig ins Gesicht leuchtete, sie musste die Augen zusammenkneifen, so intensiv war das Licht. Ein paar Sekunden brauchte ihr Kopf, um sich zu orientieren, dann durchströmte sie ein warmes Glücksgefühl, sie hatte Urlaub, war am Meer, das Wetter hatte sich gewandelt und wie. Sie sprang aus dem Bett, lief zum Fenster und stieß die Flügel weit auf. Da lag sie, direkt vor ihren Füßen, die blaue Adria, vom Wind leicht gekräuselt und glitzernd in der schon intensiven Morgensonne. Nach dem unaufhörlichen Regen hatte sich der Himmel sein intensives Blau zurückerobert. Ein seidig frischer Lufthauch wehte zu ihr, tief sog sie die kühle Brise in ihre Lungen. Heiterkeit lag in der Luft. Die Weite des Meeres, die Ferne des Blicks, der nicht mehr zwischen Wasser und Horizont unterscheiden konnte, machten sie frei und ihr Herz leicht. »Wie schön ist es hier«, rief sie jubelnd, dann zog sie sich rasch an und lief aus dem Haus durch den Garten, hinunter zu den Klippen, wo die noch aufgeregten Wellen klatschend an die Steine schlugen und wie Sprühnebel zerstäubten.
    Sie roch den intensiven Duft des Meeres, spürte Salz auf ihren Lippen und zuckte zusammen, als hätte sie eine leichte Berührung wahrgenommen. Heinz stand hinter ihr.
    »Ist es nicht ein Paradies? Ralf hat es von seinen Großeltern geerbt, sie waren Kroaten.«
    »Ja es ist ein Traum, ich bin glücklich, hier zu sein, wenn ich nur wüsste, wie ich dir danken kann.«
    »Vielleicht naht der Tag, und ich komme auf den Wunsch zurück. Bis dahin sammle ich Dankespunkte«, sagte er aufgekratzt, »wie viele habe ich denn heute erworben?«
    »Tausend, nein hunderttausend«, Louise strahlte, während der Wind ihre schönen Haare empor trug und fließen ließ. Er spürte einen Anflug heiterer Melancholie.
    »Hast du etwas gesagt?«
    »Na, wir wollen es doch nicht übertreiben mit den Punkten, oder?«
    »Doch verehrter Gönner«, sagte sie lachend, »ich stehe tief in Ihrer Schuld.«
    Sie hakte sich bei ihm unter und stieg den Weg hinauf, erst jetzt fiel ihr auf, dass zu dem Anwesen auch ein kleiner eigener Strand gehörte mit grobem Sand, der flach ins Wasser hineinlief. »Der Badespaß ist jedenfalls gesichert.«
    Da Mattuschke schon einmal hier war, wusste er, dass es einen Laden in der Nähe gab, einen mittleren Fußweg entfernt. Er öffnete die Tür zu einem Verschlag mit Gartengeräten und Liegestühlen und fand das alte Rad mit dem Rudinsky damals seine Einkäufe gemacht hatte. Sogar der Reifendruck reichte noch aus. Er schwang sich auf den Drahtesel und fuhr los. Die einfachen Natursteinhäuser in der Nachbarschaft glänzten wie frisch geputzt in der Morgensonne, weiße Wäsche trocknete an straff gespannten Schnüren vor ihren Fenstern. Die Luft war klar, roch nach Salz und Jod. Er war froh, beiden Frauen mit der Einladung eine Freude gemacht zu haben, Louises Dankbarkeit tat ihm gut, es war gut, dass sich das Gespräch zu den Dankespunkten hin entwickelte, vielleicht brauchte er sie irgendwann und könnte sich den Kredit seiner Großzügigkeit zurückerstatten lassen. Auch er genoss es, auszuspannen, zumal in der netten Gesellschaft, Louise hätte er ohnehin am liebsten ständig in seiner Nähe. Sie inspirierte ihn, sie war ein Geschenk des Schicksals.
    »Manchmal frage ich mich, warum ich mir die ganze Arbeit überhaupt auflade und nicht öfter verreise, von meinen Mitteln könnte ich bis zu meinem Ende bestens leben«, sagte er mit kräftigem Tritt in die Pedale, keuchend vor sich hin. Bald hatte er das kleine Geschäft, das an die alten Kaufmannsläden der sechziger Jahre erinnerte, in denen man vom Hering über Obst, Hemden, Pflaster bis zu Nägeln alles erwerben

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