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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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vielerlei betonierten Haupt-, Neben- und Hinterausgänge und ihre Einpassung in die romantische Umgebung bewundern zu können sowie die gelegentliche Wachsamkeit der Domestiken und den mächtigen Antennendschungel.
    »Meinst du, Dittmer käme näher ran?« sagte Jorinde, als sie zum Parkplatz zurückgingen.
    »Das ist eine der interessanteren Fragen für die nächsten Tage. Ich wüßte gern, ob er, außer als Gemeindebonze, irgendwas mit den restlichen Staatsorganen zu tun hat. Und ob wir alle verhaftet werden.«
    Wie sie wegen des Wagens, der kurz vor ihrem Aufbruch an der ollen Kapolle vorübergefahren war, schon erwarteten, waren sie die letzten, die – als einzige zu Fuß – Genengers Erbenkonzil erreichten. Die anderen saßen bei Wein, Nüssen und Käsegebäck um Genengers Tisch.
    »Also«, sagte Genenger nach der rituellen Erwähnung von Namen; er wies auf etliche Zettel –, »wir haben nicht auf euch gewartet, um die restliche Erbenpost zu öffnen. Nix drin; bloß jeweils ne Fotokopie vom handgeschriebenen Testament und dazu ein paar Zeilen. Die Mitteilung für die sämtlichen Erben enthält nur den Hinweis, sich wegen allem anderen mit mir oder meinen Rechtsnachfolgern ins Benehmen zu setzen, falls ich nicht mehr dabei bin; im Brief an mich steht, ich sollte an ein paar Kisten denken. Drei, genauer.«
    »Was für Kisten? Wein, Schatz, Wäsche?«
    »Wir haben beide Bankdepots, er und ich. Ich nehme an, das sind zwei von den Kisten. Ich weiß nicht, was er in seiner Depotkiste hat, aber irgendwann vor nem Jahr oder so hat er mich gefragt, ob er was in meine tun kann. Hab ich ihm erlaubt, klar, ich weiß aber nicht, was es ist. Er hat, wie er an die Erben schreibt, noch ein Konto bei ner anderen Bank; vielleicht gibt’s da die dritte Kiste. Oder in seinem Keller, mal sehen.«
    Yü kniff das linke Auge zu und betrachtete Matzbachs Zerrbild mit dem rechten durch sein Weinglas. »Hat der Sohn des westlichen Himmelsdrachen hierzu lichtvolle Ansichten, die er den minderwertigen Eingeborenen darzutun wünscht?«
    »Ei, wie erdrisse ich mich denn, Euch mein nichtswürdiges Unwissen aufzudrängen, huldreiche Auffaltung der Gnaden!« sagte Matzbach, sehr schnell und mit völlig ernstem Gesicht.
    Jorinde stöhnte. »O nein, nicht schon wieder.«
    Genenger nickte ohne Nachdruck; Yü trank einen Schluck und verkniff sich ein Grinsen; neben ihm begann seine Freundin leise zu lachen. Daniela Dingeldein mochte etwa 30 Jahre als sein, hatte kurzes hellbraunes Kraushaar und graueAugen; sie war eher drahtig als schmächtig, und die kräftigen Hände mit kurzen, lacklosen Nägeln eigneten sich zweifellos ebenso für amtliche Schreibgeräte wie für den Weinberg.
    Der alte Schreiner nahm ein Päckchen Reval aus der Brusttasche seines dunklen Flanellhemds, zündete eine an, blies Rauch in Richtung Matzbach und sagte mit knarzender Baßstimme: »Mann!« Dabei lächelte er kaum merklich. Sein Gesicht, vom Rinnsal der Zeit und den Winden des Lebenswandels gestriemt und gerastert, schien in die wachen braunen Augen hineinzufließen, wobei die Haut nur deshalb nicht versickerte, weil die Nasenknolle sie hielt. Die rissigen Nägel seiner großen beweglichen Finger waren fast kreisrund, aufgewölbt und mit grellen Halbmonden ausgestattet.
    »Ich fühle mich angesprochen«, sagte Matzbach mit einer kleinen Verneigung. »Was sind Sie eigentlich, Herr Pauly? Genenger meint, er wüßte es nicht so genau – Tischler, Schreiner, Zimmermann, Küfer, Böttcher, Wagner?«
    »Holzbeschwörer.«
    »Er redet nie sehr viel, Matzbach.« Genenger kratzte sich die Glatze. »Aber wenn man euch beide, beziehungsweise sein Schweigen und dein Geschwätz zusammenbringt, kommt fast ein normales Reden heraus.«
    »Schweigsamer Holzbeschwörer … Klingt wie eine der poetischen Anrufungen des verblichenen Osiris. Feine Runde, gefällt mir gut. Ein Holzbeschwörer, ein Privatbestatter, eine Hexe, ein veritabler Chinamann, eine Halbzeitwinzerin und ich, possierliches Getüm – wirklich nett.«
    Genenger räusperte sich. »Können wir jetzt die Versammlung der Witwen und Waisen eröffnen? Wir haben nämlich noch was zu bereden.«
    »Wieviel erben wir denn eigentlich?« sagte die Winzerin.
    »Ich habe immer schon empfunden, daß Frauen viel praktischer sind als Männer. Gute Frage, Frau Dingeldein.«
    Sie verdrehte die Augen. »Muß das sein? Ich hasse den Namen … Daniela reicht. Heinrich nennt Sie Matzbach – gibt’s auch Leute, die Baltasar zu Ihnen

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