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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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etwas drin; die dritte Lage Packpapier war die letzte.
    Genenger fegte sämtliche Verpackungstrümmer mit einer Armbewegung vom Tisch. Langsam, sorgfältig löste er das Einmachgummi, mit dem der eigentliche Kern umwickelt war, und breitete die Fundstücke aus: mehrere teils mit Hand, teils mit Maschine beschriebene Blätter; zehn Sparbücher; offiziös aussehende Konto- oder Depotauszüge; drei kleine Dosen aus Leder oder einem ähnlichen Material; mehrere prall gefüllte, mit einem weiteren Einmachgummi zusammengebundene Briefumschläge; ein an Genenger adressierter Brief.
    »Nu na.« Der Bestatter rümpfte die Nase. »Sieht wie ein wirres Erbe aus, was? Einverstanden, wenn ich zuerst mal den Brief lese?«
    Da niemand widersprach, öffnete Genenger den Umschlag mit Paulys Messer. Er enthielt ein eng betipptes Blatt und drei komplizierte Schlüssel, mit Hilfe eines Pfeifenreinigers innig vereint.
    Genenger las, grunzte zwischendurch, stieß mit der Zeigefingerspitze die drei Schlüssel an; dann ließ er das Blatt sinken.
    »Na, massive Geheimnisse?« sagte Matzbach.
    »Sei doch nicht so indiskret. Dicker.« Jorinde blickte ihn von der Seite an, streng, wie eine Handarbeitslehrerin ob fallengelassener und nun spurlos verschwundener Maschen. »Das geht dich doch eigentlich nichts an; mich auch nicht.«
    »Du irrst.« Genenger seufzte. »Komischerweise geht es alle an. Zum Teil jedenfalls. – Also, den Anfang überspringen wir; freundliche Worte über langjährige Freundschaft und so was. Geht nur mich an. Die Schlüssel sind für drei Depots bei Banken, einer davon zu meinem. Ich hatte ihm einen Schlüssel und Vollmacht gegeben. Hat er offenbar schamlos ausgenutzt. Moment … ah, hier geht’s los; das ist mehr oder weniger an alle hier.«
    Genenger hustete, nahm einen Schluck Wein und begann zu lesen.
    »Diddeldidei, und so weiter … Dankbarkeit … angenehme Jahre … wo war’s denn? Ah. Also. ›Vielleicht spinne ich; es wäre eine Form von Verfolgungswahn. Du weißt schon, man wittert überall Verschwörungen und fühlt sich beobachtet. Ich weiß nicht, ob ich, wenn Du dies liest, eines offensichtlich natürlichen oder eines zweifelhaften Todes gestorben bin, befürchte aber, daß man auch einen gewaltsamen Tod harmlos aussehen lassen kann. Wenn ich nicht spinne, wovon ich im Moment ausgehe, dann habe ich etwas entdeckt, das derart monströs ist, daß ich nicht einmal daran zu denken wage. Und bevor ich es nicht beweisen kann, und zwar absolut hieb- und stichfest, kann ich keinesfalls darüber sprechen oder schreiben. Die zum Paket gehörenden beschriebenen Blätter sind allenfalls eine Art Gedächtnisstütze für mich; ich glaube nicht, daß jemand etwas damit anfangen kann. Trotzdem wäre es am besten, diese Papiere zu verbrennen. In den falschen Händen könnten sie Schaden anrichten. Ich mag aber nicht einmal diese eher harmlosen Überlegungen und Listen in meinem Haus liegen lassen, und vielleicht brauche ich sie ja noch einmal, deswegen bitte ich um Nachsicht, daß sie nach meinem Ableben Dir zufallen. Vielleicht habe ich sie noch beseitigt, bin aber nicht mehr dazu gekommen, diesen Brief entsprechend neu zu schreiben. Es sind schlechte Verse – Du kennst mich ja – zur Stütze des Gedächtnisses, und ein paar Namen.‹
    Neue Zeile. ›Was die anderen Dinge angeht, nur so viel. Ich habe, wie Du weißt, getreulich dem Staat gedient und dabei nicht schlecht verdient. Nichts von dem, was ich hinterlasse, ist unrechtmäßig erworben; sollte einer von Euch Erben deswegen Bedenken haben, was ich ohnehin nicht glaube, seien diese hiermit zerstreut. An alledem klebt weder Blut nochRauschgift noch Landesverrat noch sonst etwas; nur Schweiß. Bestimmte Dinge, mit denen ich während meiner Berufszeit am Rande zu tun hatte – teilweise auch nur Ahnungen oder der Widerhall von Gerüchten –, haben mich in den letzten Jahren immer stärker zu eher wirren Nachforschungen getrieben, deren momentanes Ende dieser mögliche Verfolgungswahn ist. Wir hatten keine Kinder, auch keine lebende nähere Verwandtschaft; meine Frau ist seit vielen Jahren tot; und da ich überzeugt bin, nicht an Wahnvorstellungen zu leiden, wäre es absurd, dem Staat, der jenem Apparat zu gehören scheint, gegen den sich meine Nachforschungen richten, auch nur einen Pfennig zukommen zu lassen. Ganz ist es natürlich nicht zu vermeiden, da Ihr Erben alle nicht mit mir verwandt seid und entsprechend niedrige Freibeträge habt. Das Schlimmste müßte

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