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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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losgefahren; bald darauf erschien Elvira. Es erschien ebenfalls Eugenie Meyer, Buchhändlerin aus Koblenz, die vor einem Jahr einen exzentrischen Großvater auf Genengers Privatfriedhof vergraben und mildherzige Empfindungen für den Bestatter entwickelt hatte, ausreichend nicht nur für Wochenenden, sondern sogar für vier Wochen Sommerferien. Am späten Sonntagnachmittag hatten sie mit Jorinde, Elvira, Yü und Daniela im Schatten einer Eiche oberhalb des Friedhofs tote Hühner in Rotwein getunkt, als ein einsamer Wandersmann vorbeikam und sich erkundigte, ob es irgendwo Arbeit für ihn gäbe: Oswald Bergner, ehemals Panzermajor der Nationalen Volksarmee, dann Assistent der Personalabteilung eines von der Treuhand veruntreuten Betriebs, dann Aushilfsgärtner und jetzt arbeitslos auf Wanderschaft durchs Reich. Genenger hatte bedauert, keine Arbeit erfinden zu können, den Wanderer aber zu Wein, Brot und Huhn geladen und ihm für eine oder zwei besonders perverse Geschichten Obdach für eine Nacht oder zwei angeboten.
    Montags meldeten unabhängig voneinander die Herren Schmitz und Dittmer, das Haus sei ab sofort wieder zugänglich; abends begaben sich Erben und Anhang dorthin zur Inspektion, eskortiert vom Juristen aus Neuenahr, der sicherheitshalber mitkam, um Klagen über im Verlauf der amtlichen Aktionen beschädigte Gegenstände o. ä. aufnehmen zu können.
    Oswald Bergner verbrachte den Abend in der
Reblaus
und wurde Zeuge der Freizeitgestaltung jener Moto-Gang, so weit sie sich im Dorf abspielte. Als jemand aus der Ferne den Brand weiter talauf bemerkte und die Feuerwehr alarmierte, war alles feurige Unheil schon geschehen.
    Man erstattete Anzeige gegen Unbekannt; nach trister Betrachtung der Brandorte bot Genenger dem Ex-NVA-Major Arbeit an: Hilfe bei der Wiederherstellung von Friedhof und Haus.
    Bergner grinste mit schadhaften Zähnen. »Vielleicht komm ich ja so dazu, als Ossi ein paar Besserwessis zu verbuddeln. Wär mir ein Vorbeimarsch.«
    »Sie sagen, Sie haben die Moto-Boys gesehen? Irgendwas Auffälliges dabei, zum Beispiel einer mit orangem Vau auf den Klamotten?«
    Bergner betrachtete Matzbach mit schmalen Augen. »Ja. Kennen Sie den?«
    »Ich fürchte ja.« Matzbach wickelte Jorindes Mahagonihaar um seinen rechten Zeigefinger und zupfte. »Gefällt mir alles überhaupt nicht. Reiner Zufall, daß keiner in den Häusern war, als es passierte. Und reiner Zufall, daß es von allen Dörfern an der Ahr dieses sein mußte, und von allen Häusern in der Gegend ausgerechnet diese beiden? Nein, mag ich nicht.«
    »Wie du immer sagst, sind doch die unwahrscheinlichsten Zufälle immer auf deiner Seite.« Jorinde berührte seine Nasenspitze mit den Lippen, dann mit der Zunge. »Wieso gefällt dir denn in diesem Fall der Zufall nicht? Und was sagt deine berühmte Nase dazu?«
    »Die ist gerade feucht. Und eben weil Zufälle immer für mich sind, nie gegen mich, gefällt mir das alles nicht. Dieser Zufall hier ist gegen uns alle, also auch gegen mich.« Er schnitt eine Grimasse. »Übrigens scheinen sich meine transzendenten Wahrnehmungen von der Nase zum Nabel zu verschieben. Als ich losgezogen bin, um all die Namen zu recherchieren und Münzen zu verscherbeln, hat der Nabel gejuckt …«
    »Waschen«, sagte Jorinde. »Oder lutschen?«
    » … und es ist was dabei rausgekommen …«
    » … sag ich doch: lutschen.«
    »Später. Jetzt, bei euren Schauergeschichten, habe ich ein Ziehen im Nabel. Deshalb muß irgendwas an der Sache faul sein.«
    »Ach, komm.« Genenger setzte sich auf. »Skins mit Motorrad … Die kannst du nun wirklich nicht mit der Aktion hier zusammenbringen. Die beiden Häuser waren einfach ideal – abseits, isoliert und zufällig auch noch leer.«
    »Paß mal auf.« Matzbachs Stimme klang plötzlich hart, fast metallisch. »Erzähl mir nicht, daß die noblen Staatsorgane der Republik über derlei erhaben sind. Ein Wort an der richtigen Stelle, ein paar Geldscheine … Warum die eigenen Finger versauen, wenn andere die Dreckarbeit viel gründlicher und vor allem unverdächtig erledigen können?«
    »Aber wozu denn?«
    »Als Warnung. Zieht eure Nasen aus der Sache, sonst wird die Nasenspitze abgeschnibbelt. Außerdem …« Er schnaufte. »Außerdem kann’s ja durchaus schon Ernst gewesen sein. Wenn es kein Zufall war, sondern geplant, konnte ja keiner wissen, daß an dem Abend die Häuser leer sein würden, oder?«
    »Nun mach’s aber halblang, Dicker.« Jorinde zeigte ihm die Zähne. »Das

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