Matzbachs Nabel
ihr detaillierte Gegenleistungen fest – wie oft, auf welche Weise, mit und ohne Dämonen, in Anoder Abwesenheit von Leichen, so was.«
»Ach, hau doch ab, du Ferkel.«
Genenger klatschte plötzlich in die Hände; Matzbach, der schon im Wagen saß, öffnete die Tür noch einmal.
»Is was?«
»Hätt ich fast vergessen. Was ist mit Osiris?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Soll ich ihn ins Gefrierfach legen, bis du wieder da bist, oder sollen wir ihn ohne dich verbuddeln?«
»Geht’s nächsten Freitag? Dann bin ich wieder da.«
Genenger salutierte.
15. Kapitel
Donnerstagabend war es noch immer brütend heiß; die offenen Vorderfenster des Volvo halfen kaum. Der Himmel über dem Tal war dunstig beige; nach Westen wurde er malvenfarbig mit einer blutigen Beimengung. Matzbach brummte leise, bis er die alte Stallkapelle und den Trog erreicht hatte, den Motor killte und ausstieg.
Der Trog war trocken. Staub, vom Wagen aufgewirbelt, setzte sich unendlich langsam zu anderem Staub. Überall Staub, ein stickiger Geruch wie von drohendem Steppenbrand, der nur noch auf ein Stichwort wartete. Die mobile Außentoilette war verschwunden; die Tür zum Notquartier stand halb offen. Matzbach blinzelte, zuckte mit den Schultern und griff zum Pumpenschwengel. Das Kreischen des ewig ungeölten Metalls zerschlitzte die staubige Stille des Tals; ein wenig Wasser, viel Luft, dann endlich klares, kaltes Naß. Er machte sich nicht die Mühe, das durchgeschwitzte T-Shirt auszuziehen, ließ das Wasser über Kopf und Oberkörper fließen, stöhnte erleichtert und schüttelte sich. Es würde nur ein paar Minuten dauern, bis alles wieder trocken war, und vermutlich wieder so klebrig und verstaubt wie vorher. Er popelte in seinem Nabel.
Irgendwo mußte es Wind geben. Ein Ausläufer, winziger Fetzen des Schleiers einer Windsbraut, wühlte am östlichen Hang ein wenig Staub auf, aber die Säule brach sofort in sich zusammen. Matzbach ging um den Wagen herum, langte durchs offene Beifahrerfenster, öffnete das Handschuhfach, nahm die Pistole heraus und entsicherte sie. Er hielt sie in der Rechten, die Mündung zu Boden gerichtet, den Arm locker, als er zur Tür ging.
Die Behausung war leer, bis auf ein paar Aschehaufen. Jemand oder etwas hatte ganze Arbeit geleistet. Allerdings konnte es kein großes Feuer gewesen sein; die Deckenbalken waren intakt, wenn auch geschwärzt. Das Bett, die Borde, vermutlich Bücher und Kleidungsstücke, das Behelfsmobiliar, nichts war geblieben. Der alte Herd stand aufrecht Posten; ein buntes Fenster war zersplittert – eingeschlagen oder geborsten; ein paar Scherben steckten noch im Rahmen.
Matzbach nickte langsam, kratzte mit dem Zeigefingernagel an der angesengten Innenseite der Tür, drehte sich um und ging zurück zum Wagen. Er sicherte die Waffe, schob sie vorn in den Gürtel und stieg ein.
Als er sich dem Privatfriedhof und Genengers Haus näherte, mißfiel ihm der Anblick schon von weitem: Etwas stimmte nicht mit der Silhouette der Bäume und Sträucher des Leichendepots, und das Haus schien verfärbt. Er fuhr näher heran, brauchte aber nicht auszusteigen, um zu sehen, was zu sehen war.
Ein Flügel des Friedhofstors wirkte heil, der andere war samt den Angeln aus der Mauer gerissen und lag auf dem Boden. Steine und hölzerne Grabschilder hatte man umgestoßen und geschwärzt und angesengt; ein Teil des Bewuchses war gefällt oder niedergebrannt worden. Auch Genengers Haus schien gebrannt zu haben; die Fensterhöhlen waren leer, die Fassaden rußig. Matzbach verzichtete auf eine genauere Inspektion und wendete.
Vor Paulys Werkstatt-und-Wohnung im Dorf hielt er kurz an, hupte, fuhr dann weiter, als niemand sich zeigte. Das Manöver wiederholte er vor dem Neubau, in dessen erster Etage Yü hauste – ebenfalls keine Reaktion. Matzbach steuerte den Kombi über den Holperweg zum Haus des verblichenen Poeten. Als er den freien Platz zwischen denBäumen erreichte, seufzte er teils erleichtert, teils betrübt oder belästigt auf. Das Haus war erleuchtet und glühte förmlich aus allen Fenstern in die Dämmerung; am Verandageländer lehnten drei Fahrräder, vor und neben dem Haus standen Genengers Leichenwagen und ein Wohnmobil.
Elvira Knutsens dunkelbraunes Haar, beim letzten unerfreulichen Treffen schulterlang, rieb sich mittlerweile an den Schulterblättern. Die schlanke vierzigjährige Betriebspsychologin lehnte am Billardtisch und lachte laut über etwas, das Flavius Dittmer eben gesagt hatte. Das
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