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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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eigentlich, mit Dittmer und deiner Besucherin?«
    Jorinde seufzte. »Ich weiß, daß ihr euch nicht leiden könnt, aber wahrt doch wenigstens die Umgangsformen, ja?«
    »Du wirst keinen Anlaß zum Tadel finden. Also?«
    »Na ja, wie vorhergesagt. Ein Blick hin, ein Blick zurück und wumm.«
    »Was vermutlich bedeutet, daß wir, solange sie da ist, auch ihn dauernd auf dem Hals haben. Nicht schlecht; damit ist er wenigstens teilweise unter Kontrolle.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ach du grüne Grütze!« Matzbach ließ sie los, deutete nach vorn und begann zu rennen.
    Die starken Scheinwerfer hatten sich bewegt; jetzt hörte man deutlich das Grollen der Motorräder, die den Weg hinaufdonnerten. Dann zuckten die Lichtbalken hin und her, umrissen taumelnde und stürzende Gestalten. Etwas schepperte dumpf; jemand brüllte, dann erstickte Schreie.
    Es waren mindestens sechs, wahrscheinlich sieben Motorräder. Matzbach sah Genenger, Bergner und Yü rennen, blieb stehen, knirschte einen Fluch zwischen den Zähnen und zogdie Pistole. Er feuerte zweimal seitlich in die Luft; dann lief er weiter. Die Lichter tanzten, verschwanden, leuchteten noch einmal auf, danach nur die Rückstrahler und das Röhren der schweren Maschinen, das sich entfernte.
    Elvira Knutsen trampelte auf der Stelle. Sie hielt die Augen krampfhaft geschlossen, die Arme verschränkt, die Hände in die Achselhöhlen geklemmt und stieß schrille Wimmerlaute aus. Ihr Gesicht war naß.
    Jorinde packte sie bei den Schultern und schüttelte sie, ohne Ergebnis. Erst nach einer klatschenden Ohrfeige hörte Elvira auf zu wimmern, öffnete die Augen, ließ die Arme sinken und sagte: »Jemand hat geschossen.« Dann taumelte sie, knickte in den Knien ein und setzte sich an den Wegrand.
    Dittmer hockte neben einem Strauch. Aus der Kopfwunde rann Blut über die Hände, die er vor die Augen drückte. Bergner kniete neben ihm, untersuchte im schwachen Licht der fernen Straßenlaternen und der wenigen Leuchtkörper am Himmel die Wunde, so gut es ging, stand schließlich auf und sagte:
    »Er murmelt etwas von Fahrradketten. Blutet ziemlich, ist aber wahrscheinlich nicht so schlimm wie …« Er starrte hinüber zu Genenger und Matzbach, und dem alten Schreiner.
    Markus Pauly lag halb in einer Furche. Aus dem Mund, zu einem tonlosen Schrei geöffnet und verzerrt, sickerte Blut. Die offenen Augen schienen sich auf irgendeinen Punkt in der Nacht zu richten. Matzbach tastete nach dem Brustkorb und konnte die Spitzen gebrochener Rippen fühlen. Genenger trat gegen das zertrümmerte Fahrrad des alten Mannes und brüllte etwas in den Himmel.
    Yü kam in schnellem Trab vom Neubau her. Der schlenkernde Balken der Taschenlampe streifte Daniela Dingeldein,die den verbogenen Rahmen ihres Rads an die Brust gedrückt hielt wie einen löchrigen Schild. Ihr Hemd war aufgerissen und rot; Blut rieselte aus einer Wunde über dem rechten Backenknochen. Eugenie kniete neben ihr und versuchte, mit einem Tuchfetzen, den sie sich aus dem Hemd gerissen hatte, das Rinnsal wegzutupfen.
    »Ich hab was Oranges gesehen«, sagte Daniela stockend. »Und das hier« – sie deutete auf ihre Wange – »als ob jemand mit nem Schlagring oder Stein oder so zugeschlagen hätte.«
    »Polizei und Ambulanz sind unterwegs.« Yü richtete die Lampe auf Pauly, stöhnte und knipste sie aus.

16. Kapitel
    Irgendwie will nicht die rechte Heiterkeit aufkommen«, murmelte Matzbach; es war aber kaum zu hören, da gleichzeitig Genenger mit lautem Ächzen eine Weinflasche entkorkte.
    Gegen drei Uhr früh waren sie, immer noch hungrig, aber gründlich ohne Appetit, in kleinerer Besetzung wieder zum Haus des toten Poeten zurückgekehrt, mit zwei Taxis. Dittmer hatte die nach Schock und Hysterie stehend einschlafende Elvira bei sich einquartiert; Bergner spielte eine einsame Runde Poolbillard nebenan; die übrigen saßen oder hingen im Schlaf- und Arbeitsraum herum, zu müde und niedergeschlagen sogar für Entschlüsse wie den, schlafen zu gehen.
    »Heiterkeit?« Jorinde, neben ihm auf der Bettkante, hielt ihr leeres Glas dem Bestatter hin, der umherwanderte und nachschenkte. »Könntest du mir einen Anlaß dafür nennen?«
    »Könnte ich; laß ich aber lieber.« Er sackte hintenüber, gegen das aufgebauschte Plumeau. »Am Ende hält mich jemand für nen Zyniker.«
    »Ha, ha und abermals ha.« Genenger kramte in Eugenies Löwenmähne, ohne eine Miene zu verziehen. » Zyniker – du? Komm, spuck’s schon aus.«
    »Was mich

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