Matzbachs Nabel
müssen in Gang gesprengt werden.«
Genenger sagte leise »wumm« und nahm einen weiteren Schluck. »Ich weiß nicht, ob mein Herz das lange mitmachen würde, aber du hast ja glücklicherweise keins. – Grüße von Elvira, die hat heut früh angerufen. Sie meint, sie ist am Nachmittag hier. Ich hab ihr den Weg beschrieben.«
Jorinde giggelte. »Als ob er’s geahnt hätte … Er will gleich weg.«
»Wohin?«
Matzbach schluckte das Zerkaute und belud die nächste Gabel. »Da wir unter uns sind, ohne harmlose Zuhörer – ich will der Namensliste nachgehen. Mein Nabel treibt mich dazu.«
»Komisch, wie?« Genenger runzelte die Stirn. »Die gleichen Leute, die ich ausfindig gemacht hab, von wegen in heißen Mittwochsnächten verblichen. Grüße von Yü, nebenbei; wenn du nen Leibwächter brauchst oder sonst was …«
Matzbach verstaute die Gabellast im Mund und hob anmutig die Linke. »Dampf, damnapf.«
»Soll das ›danke, demnächst‹ heißen?«
»Mhm.«
»Aha. Das erklärt vieles.«
Jorinde nestelte an einem Träger ihrer oberen Bikinihälfte. »Trifft sich ja alles sehr gut. Er braucht nicht unter Elviras Anblick zu leiden, ich hab Gesellschaft und bin ihn los, und Yü ist lebensmüde? Alles ganz ausgezeichnet. Er hat aber noch nen Auftrag für dich.«
»Was denn?«
»Scheschefn.« Matzbach schluckte heftig und rülpste. »Telefonieren, edler Leichenschänder. Irgendwann im Lauf des Tages möchte ich, daß du mir einen Konsultationstermin mit dem obersten Schönheitschirurgen dieser dubiosen Klinik beschaffst. Der Chefpsychotiker sollte am besten auch dabei sein.«
»Wann? Und – was hast du vor?«
Matzbach hatte seinen Teller geleert, nahm einen Schluck Kaffee und tastete nach seiner bereitliegenden Frühstückszigarre. »Mal sehen. Ich werde schätzungsweise eine Woche weg sein … Sieh mal zu, ob du mir was für den übernächsten Montag festmachen kannst. Nenn bitte deinen Namen nicht, wenn du anrufst, und meld mich an als, hm, Benedikt Maselberg.«
Jorinde lachte schallend; Genenger grinste.
»Maselberg? Benedikt? Na schön. Und wenn die nach dem Grund fragen?«
Matzbach hielt die Zigarre hoch und schien sie angestrengt zu beobachten; sein Gesicht war ausdruckslos. »Ah, sag ihnen, ich, nein, Herr Maselberg leidet an Omphalophobie.«
»Om- was?«
»Omphalophobie.«
Jorinde ächzte. »Was ist das, beziehungsweise was soll das sein?«
Matzbach grinste nun ein wenig. »Irgendwie gefällt mir die Rolle nicht, die diese komische Klinik hier spielt; ich kann aber nicht einfach hin und fragen, oder? Also werde ich Patient; sag ihnen, ich zahle bar, vielleicht hilft das. Und was mein schlimmes Leiden angeht, darauf hat mich Osiris mit der anständigen Ordnung seiner Bücher gebracht. Da gibt’s ein Fach ›Nabelschau‹, mit Rilke und Botho und Konsorten. Omphalophobie, liebe Freunde, ist die krankhafte Furcht vor der Betrachtung des eigenen Nabels. Eine Krankheit, die in der deutschen Literatur längst nicht ausreichend verbreitet ist.«
Jorinde seufzte und schloß die Augen; Genenger kicherte unterdrückt.
»Na schön. Herr Benedikt Maselberg leidet an Omphalophobie und zahlt bar. Wie Sie befehlen, Sir. – Jorinde.«
»Ja?«
»Steht dir gut, der Bikini. Nettes Panorama.«
Matzbach stand auf. »Macht das unter euch aus.« Er ging zum Haus und kam sofort mit einer gepackten Reisetasche zurück.
»Was hast du vor?« sagte Jorinde mit einem trägen Lächeln.
»Ach, nur so.« Genenger kniff ein Auge zu. »Fiel mir eben so auf. Er ist ja jetzt ne Woche weg …«
»Willst du schlechte alte Angewohnheiten reaktivieren?«
Matzbach hatte die Tasche auf die Ladefläche des Kombi gestellt und knallte die Heckklappe zu. »Laß dich da nicht so ohne weiteres drauf ein, Gespielin des Nachtwinds. Ich meine, ihr kennt das ja alles noch von euren legendären Turnieren im Westerwald her. Aber ein bißchen feilschen solltet ihr schon.«
»Wie, feilschen?« sagte Genenger.
»Na ja, Kant spricht irgendwo von einem Kontrakt über den gegenseitigen Nießbrauch der Geschlechtsteile. Er hat die Ehe gemeint; das muß man wohl nicht so eng sehen. Man sollte aber unter den obwaltenden Umständen bestimmte Absprachen treffen. Vor allem, wenn Elvira kommt.«
Jorinde hob eine Braue. »Was für Absprachen?«
»Also, zum Beispiel könnte er dich im Haus von Osiris wohnen lassen, sobald es nicht mehr beschlagnahmt ist; und dafür, daß dir die Kapolle mit Aushaus und Trog und alsbald Elvira erspart bleibt, legt
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