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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Mann war Rechtsanwalt, setzte alle Hebel in Bewegung, und eines Tages wurde ihr persönliches Märchen wahr, und sie durfte ausreisen.
    Fast 40 Jahre später traf ich sie zufällig in Leipzig in jener Straße, in der ihre Mutter noch wohnte. Als ich J. mit ihr kommen sah, wußte ich sofort, daß sie es sein mußte. Ich begrüßte zunächst ihre Mutter und wechselte danach ein paar Sätze mit ihr.
    Sie wunderte sich: »Woher kennen Sie denn meine Mutter?«
    »Ich kenne auch dich.«
    Jetzt wunderte sie sich noch mehr.
    »Wir waren einmal zusammen auf Hiddensee.«
    Einen Tag später saßen wir im Café Maître und schwatzten über alte und neue Zeiten. Irgendwann versuchte ich mir das Funkeln in ihren Augen von damals vorzustellen. Ich vermochte es nicht mehr. Zu lange her … Es funkelte nur noch der Wein im Glas.

Meine Bands
    Musik machten in meiner Kindheit prinzipiell »Orchester« oder »Kapellen«. Erst mit der Beat-Musik erschienen auch im Osten »Bands«.
    Meine erste Truppe, in der ich »Schlagzeug« spielte – es bestand aus einer »Charleston-Maschine«, einem Becken und einer kleinen Trommel –, hieß The Playboys.
    Dabei waren wir jungen Burschen alles andere als das, eher noch »verspielte Jungs«. Zwar konnte ich ein wenig auf dem Klavier herumklimpern, aber in dieser Band gab es schon zwei Klavierspieler, und ich nehme an, daß die besser waren. So sagten die Jungs: »Du mußt ans Schlagzeug.«
    Es war Anfang der sechziger Jahre, und englische Namen wurden auch im Osten immer beliebter. Die Funktionäre sahen diese Entwicklung mit großem Unwillen und gingen bald vehement dagegen vor. Zeitweise wurden sogar englische Wörter in bekannten Schlagern ausgetauscht. So hieß es in einem beliebten Lied im Original: »Wenn, wenn du sagst, wenn du sagst, okay …« Der DDR-Sänger im Funk mußte für »okay« dann »olé« singen. Und aus »allright« wurde »Komm heut«. Absolut lächerlich.
    Zur Playboy-Besetzung gehörten neben den zwei Klavierspielern, die sich abwechselten oder auch mal vierhändig spielten, und dem Schlagzeug zwei Gitarren. Damals trugen wir noch keine langen Haare. Alle ordentlich frisiert, weiße Hemden, dunkler schmaler Schlips. Ich glaube, Strickschlipse waren sehr in Mode.
    Aus Michael war inzwischen »Mike« geworden. Mit ihm hatte ich ein paar Jahre zuvor nach dem Kindergottesdienst Spielzeugsoldaten aus dem Tausendjährigen Reich gegen Mickey-Mouse-Hefte getauscht. Und nun sangen wir gemeinsamunsere Hits, natürlich ohne ein Mikrofon zu besitzen.
    Unser Techniker hieß Josef Schmidt, stammte aus Ungarn und wurde von allen nur Stalin genannt. Warum? Vielleicht sah er ihm irgendwie ähnlich, obwohl er sich keinen Bart stehen ließ. Mit Bart wäre er ihm vielleicht zum Verwechseln ähnlich gewesen …
    Bei unserem einzigen Auftritt, den wir hatten, im Sportlerheim »Am Biel«, es gibt heute noch Zeugen, die sich an unseren rauschenden Erfolg erinnern, haben wir das Schlagzeug mit dem Bus nach Zwickau-Planitz transportiert. Unsere Band-Fahne hatte der Vater eines Musikers gebastelt.
    Zu den Tonarten pflegten wir ein etwas schlichtes Verhältnis. Alle Titel spielten wir in C- oder F-Dur. Liedzeilen schwirren mir noch durch den Kopf: »Alles vorbei, Tom Dooley, noch vor dem Morgengraun …« oder »… der Löwe schläft heut nacht« oder »Wenn ich am Wochenende tanzen geh …«. Das ist ein Zitat aus dem damals so beliebten »Tiger-Rock«, wo es im Refrain immer hieß: »So wie ein Tiger, ho-ö-hö«, ein Laut, der etwas an den Wüstenkönig erinnern sollte. Sogar auf eine Eigenkomposition konnten wir verweisen, den »Playboy-Twist«. Leider hat dieser Erfolgstitel den Weg aus unserem Zwickauer Wohnzimmer-Probenraum hinaus in die deutschen Hitparaden nicht angetreten.
    Alle waren damals heiß auf Musik. Unser »Manager«, ja auch den hatten wir schon, verschaffte uns einen zweiten Auftritt. Niemand kannte uns, aber The Playboys wurden sofort engagiert – bei solch einem Namen!
    Wir sollten in einem Tanzsaal namens »Erlenwald« in Vielau bei Zwickau auftreten. Die Annonce stand schon in der Zeitung. Es spielen The Playboys, aber dann kamen bei einigen Bedenken, auch ein väterlicher Rat, doch nicht ohne jegliche Genehmigung einfach loszuspielen – und mit so einem Namen …
    Wir bekamen auch technische Bedenken – ohne Mikrofon in einem großen Saal! So war nichts mit »So wie ein Tiger,ho-ö-hö«, wir zogen unsere Zusage eher hasenherzig wieder zurück. Wegen technischer

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