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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Schwierigkeiten, Krankheit oder so.
    Etwa 40 Jahre später trat ich in jenem Haus auf, übrigens mit meinem Kollegen Gunter Böhnke und unserem Rainer-Vothel-Trio. So bügelte ich das seinerzeit abgesagte Gastspiel mit jahrzehntelanger Verspätung wieder aus …
    Danach spielte ich in der Kfz-Band. Kein umwerfender Name, einverstanden, aber er kam zustande, weil die Musiker an der Zwickauer Kraftfahrzeug-Ingenieurschule studierten. Ich spielte Klavier, sang und wurde von einer richtig guten Band abgeworben, der Club-Band. Hier war ich nur noch Sänger. Vor mir war Barbara Kellerbauer mit den Musikern aufgetreten, die sich in der DDR anschließend ein großes Publikum ersungen hat.
    Nun stand plötzlich mein Name auf einem Plakat. Daneben war ein Streifen aufgeklebt: »Jetzt mit elektrischen Gitarren!« Wir wollten unbedingt in Beatles-Besetzung spielen, hatten aber neben Rock ’n’ Roll und Schlagern auch Oldtime-Jazz im Repertoire. Unsere Erkennungsmelodie, die effektvoll ertönte, wenn der Vorhang aufgezogen wurde, stammte aus dem Westfernsehen: die Titelmusik der Krimiserie »Stahlnetz«. Nach der Pause ritt der »Geisterreiter« über die Bühne – ein damals beliebter Orchestertitel.
    Das war im Jahre 1964; wir spielten oft im Kreiskulturhaus Ernst Thälmann in Wilkau-Haßlau bei Zwickau. Der Kulturhauschef hatte es damals nicht einfach, denn er sollte tatsächlich die jungen Leute am Auseinandertanzen hindern! Wieso die DDR geschädigt wurde, wenn man sich nicht in Tanzstundenhaltung über das Parkett bewegte, sondern ab und an mit einem knappen Meter Abstand voneinander, das blieb ein Geheimnis der Funktionäre. Wie so manch andere Entscheidung auch.
    Vielleicht war für das Politbüro der Verzicht auf Führung des Partners schon der erste Schritt zur Anarchie? Die Zusammengehörigkeit mußte gestärkt werden, denn schließlich war ein Tanzpaar das kleinste Kollektiv!
    Ich sang viele Titel in »englisch«.
    Warum die Anführungszeichen?
    Es war gar keins, ich imitierte die Sprache, keiner hörte richtig hin, es klang halt so, und die Massen tobten beim »Jailhouse Rock« von Elvis. Manchmal hatte ich Bammel, wenn viele Studenten im Saal waren. Zum Beispiel vor Hunderten Gästen bei einem Weihnachtsball der berühmten Tanzstunden-Müllern in der »Neuen Welt« zu Zwickau, an dem meine Mutter, die dort arbeitete, zum ersten Mal ihren Sohn auf einer großen Bühne bewundern konnte. Und ich meinte zu meinen Band-Kumpels: »Mensch, die kriegen das doch mit!« Die Truppe beruhigte mich: »Ach wo. Das merkt niemand.« Und sie hatten recht.
    In der »Club-Band« besaßen wir schon eine eigene »Lichtschau«. Am Bühnenrand standen selbstgebaute Lichtkästen. Einer bediente hinter der Bühne die Schalter, unsere Sombreros leuchteten bei »Sag mir quando, sag mir wann …?« oder »Hast du alles vergessen, was du einst besessen. Amieeeeegou, eijeijeieijeijeieijeijei … das ist längst vorbei« abwechselnd rot-blau, rot-blau, rot-blau … Sehr effektvoll!
    Wir besaßen ein grünes Kondensatormikrofon, vor dem sich manchmal drei bis vier Leute singend drängelten.
    Die erste Orgel, die der Lein-Peter spielte, wäre heute ein technisches Denkmal. An den Holzkasten wurden vier Beine geschraubt. Und schon stand die »Harmona« auf der Bühne! Sie war ein typisches Improvisierobjekt, wie es nur die DDR hervorbrachte. Die sozialistischen Deutschen waren Weltmeister in diesen Dingen. Die Tastatur stammte von einem Akkordeon (Hersteller war eine Privatfirma aus Zwota), die Bässe wurden erstmalig auch durch Klaviertasten erzeugt. Die Zungen der Tastatur wurden durch ein Gebläse in Bewegung versetzt, das stammte vielleicht von einem Staubsaugermotor – wundern würde mich das nicht! Man konnte schon Klangfarben durch ein mechanisches Kippregister einstellen.
    Die Orgel war natürlich viel zu leise, eher für ein Wohnzimmergedacht. Bei einem Solo mußte dann vom Sänger unser einziges Mikrofon davorgehalten werden.
    In unserer Gage schlug sich der Besitz der »Harmona« jedoch nicht nieder. Wir spielten und sangen am Abend für 20 Mark pro Kopf. Der Rest floß in den Instrumentenfonds. Unsere Band war damals für schlappe 280 bis 300 Mark zu haben. Uns ging es wirklich nicht um Geld, sondern wir hatten einfach nur Lust, Musik zu machen. Das lief alles ohne Sex und Saufereien ab.
    Die Kulturpolitik erlaubte unserem Repertoire vierzig Prozent Westtitel, sechzig Prozent der abendlichen Musik mußten DDR-Produktionen sein. Auch

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