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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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herrschte, gab es im VEB Park- und Gartenanlagen der Stadt Zwickau »kameradschaftliche Zusammenarbeit«. Und was die Ausbeutung anbetraf, da fiel mir der damals gebräuchliche Witz ein: Im Kapitalismus wird der Mensch vom Menschen ausgebeutet. Im Sozialismus ist es umgekehrt.
    Die Schinderei machte ich nicht lange mit, ich folgte meinem Freund Rudolf Kleinstück ins Gemüsekombinat der LPG »Sieg des Sozialismus« in Mosel bei Zwickau. Über die Zeit in der ruhmreichen Genossenschaft habe ich in meinem Band »Dämmerschoppen« geschrieben.
    Wenn ich es mir heute überlege, so trug meine Erziehung daheim zur Ehrlichkeit wirklich Früchte bzw. keine, dennich schwöre: ich habe in der LPG tatsächlich nicht eine einzige Gurke geklaut! Für die anderen Mitarbeiter würde ich in dieser Beziehung keine Hand ins Saatbeet legen, um es einmal etwas gärtnerisch auszudrücken. Ausgenommen mein Freund Rudi Kleinstück, den ich bei unserem nächsten Treffen dazu gleich einmal befragen werde.
    Die Arbeit in der LPG war nicht gerade das, was mein Herz erfreute. 1963, in jenem Jahr, als Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus 400000 Menschen zurief: »Isch binn ein Börliner«, in jenem Jahr sagte ich, ich bin kein Gärtner mehr.
    Und fing als buchhändlerische Hilfskraft in der Zwickauer Volksbuchhandlung Gutenberg an.

Volksbuchhandlung Gutenberg
    Damals trugen private Buchhandlungen oft noch den Familiennamen des Besitzers, und so kam tatsächlich einmal eine Frau in den Laden und fragte: »Könnte ich mal Ihren Chef, den Herrn Gutenberg, sprechen?«
    Verglichen mit der körperlich schweren Arbeit als Gärtner war für mich diese neue Tätigkeit der reine Lenz, Urlaub mit Büchern sozusagen. Ich arbeitete vermutlich dermaßen schnell, daß ich zu meiner Überraschung schon nach kurzer Zeit eine Prämie erhielt. Die Kolleginnen und Kollegen waren durch die Bank sehr nett. Bei den Kolleginnen gab es, im Gegensatz zur LPG , richtig hübsche junge Damen, die natürlich viel schöner anzusehen waren als jene in Wattejacken und Gummistiefel verpackten Frauen, an deren Alter ich mich gar nicht mehr erinnern kann oder das ich vermutlich durch die Verkleidung gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Eine Kollegin, mit der ich mich gut verstand, zeichnete sich neben ihren Fachkenntnissen durch eine bedeutende Oberweite aus. Ihr unterstand das Fachbuchsortiment. Und so schlichen mitunter Männer an den Regalen mit Büchern zum Maschinenbau und zur Anatomie herum, nahmen auch mal einen Band in die Hand, blätterten abwesend darin, weil sie nur Augen für den Bau und die Anatomie jener Dame hatten. Manchmal flüchtete sie beim Betreten eines besonders aufdringlichen Typs gleich in die hinteren Räume: »Ach, der schon wieder!« Und bat mich: »Lutz, bedienst du mal bitte?!« Da hatte jener Typ natürlich einen »Zappen«, weil er etwas ganz anderes wollte, als mit mir über Fachbücher zu plaudern!
    Unter dem erleuchteten Glasbild, das nach einem alten Stich vom Meister Gutenberg angefertigt worden war, befand sich unsere buchhändlerische Schatztruhe, die inZwickau »Mauke« genannt wurde. Im »Kleinen sächsischen Wörterbuch« ist der Begriff so erläutert: »… heimlicher Aufbewahrungsort, verstecktes Behältnis für einen Vorrat.« Das trifft es ganz genau, denn hier wurde der konspirative Bücher-Vorrat für gute Kunden angelegt. Die berühmte Bückware. Vor allem Lizenzausgaben. Gesucht waren aber damals auch die Märchen der Gebrüder Grimm, von Werner Klemke illustriert, Karikaturenbücher vom Eulenspiegel Verlag oder – Rarität in der prüden DDR – erotische Literatur von Zola bis Maupassant. »Liebe und Humor geht immer.« Diese alte Verlegerweisheit wurde in der DDR durch den Mangel besonders eindrucksvoll bestätigt. Die DDR-Kleingärtner wiederum kannten nur ein Buch, das sie fürs Leben gern besitzen wollten: »Rat für jeden Gartentag« aus dem Neumann-Verlag. Diese kleingärtnerische Kostbarkeit lag auch immer in der Mauke.
    In den Regalen drückten sich noch so manche Titel vom 1. Bitterfelder Weg herum, den der Volksmund aus gutem Grund als »bitteren Feldweg« bezeichnete. Nicht wenige Bände erhielten nach Jahren neu gestaltete Schutzumschläge, um einen Verkaufsanreiz zu schaffen. Doch alle Müh’ war umsonst! Die »Kumpel-greif-zur-Feder-Bücher« lagen wie Blei in den Regalen, mußten immer wieder entstaubt werden, endeten über kurz oder lang entweder in der Papiermühle oder im günstigsten Falle noch als

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