Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
immer so schlecht gelaunt bist, wenn du zu Ihren Lordschaften mußt«, versprach Catherine. Sie traten in den Garten hinaus und gingen auf die Mauer mit der Pforte zu, wo sie ihn begrüßt hatte. »Mach dir auf See um mich keine Sorgen. Ich werde nie zwischen dir und deinem Schiff stehen. Du gehörst mir, und ich gehöre dir.«
Ozzard polierte Zinnteller für Mrs. Ferguson und drehte sich nicht um, als Allday eintrat. »Es geht also wieder los?«
»Ja, aber erst nach London.«
Ozzard rieb stumm an dem Teller herum, obwohl der bereits fleckenlos glänzte.
»Wir bekommen die
Black Prince
mit vierundneunzig Kanonen. Größer als alles, was wir gewöhnt sind. Fast ein Palast!«
Aber Ozzard war in Gedanken ganz woanders. Er war in London, wieder auf der Straße in Wapping Wall, auf die er so verstört gerannt war – damals. Er hörte wieder ihr Betteln und dann die Schreie. Und zuletzt die furchtbare Stille, nachdem er seine junge Frau und ihren Liebhaber mit der Axt erschlagen und zerhackt hatte, bis sein Arm erlahmte. Ozzard … An diesen Namen hatte sich der Schiffsarzt auf der
Hyperion
erinnert, der damals in London Gerichtsmediziner gewesen war. Da hatte der Steward mit dem sinkenden Schiff untergehen, ein Ende machen wollen mit all den blutigen Erinnerungen.
Aber es war anders gekommen.
»Also gut, nach London«, seufzte er.
Im Zentrum der Macht
Admiral Lord Godschale gab sich so herzlich wie möglich, um Bolitho die Kühle ihrer letzten Unterhaltung vergessen zu machen.
»Wir sollten uns später noch ausführlich unterhalten, Sir Richard.
Hier in der Admiralität vertrocknen wir allzu leicht, während bedeutende Männer wie Sie draußen Großes leisten.«
Bolitho stand an einem der hohen Fenster und sah auf Straße und Park hinaus. Ruhte London eigentlich nie? Kutschen jeder Größe überholten oder begegneten sich. Die Kutscher wollten ihr Können beweisen und ließen zwischen den Rädern nur wenige Zentimeter Platz. Herrenreiter und gelegentlich auch Damen im Sattel bildeten bunte Flecke zwischen den Wagen und Eselskarren der Händler. Die warme Septembersonne animierte die Menschen, ließ sie anhalten und Gespräche fuhren. Offiziere in ihren farbigen Röcken strömten aus den nahen Kasernen in den Park, offenbar auf der Suche nach weiblicher Gesellschaft.
»Wir sind alle nur so gut wie unsere Leute«, antwortete Bolitho. Aber das hatte Godschale nicht gemeint, im Gegenteil. Sein neuer Adelstitel und die Macht, die er ihm verlieh, bestärkten ihn in der Überzeugung, daß kein Schiff oder Kommandant ohne die leitende Hand Seiner Lordschaft etwas Vernünftiges leisten konnten.
Bolitho sah zu, wie er Madeira einschenkte. Zur Zeit der Amerikanischen Revolution hatten sie beide Fregatten geführt und waren sogar am selben Tag zu Kapitänen befördert worden. Doch an den jungen schneidigen Kommandanten Godschale erinnerte heute wenig. Er war zwar immer noch ungebeugt, kräftig gebaut und gutaussehend, doch seine rötliche Hautfarbe hatte er nicht an Deck im Sturm erworben. Indes war hinter dem gepflegten Äußeren ein stählerner Wille zu spüren. Bolitho erinnerte sich noch sehr genau an ihr Treffen im letzten Jahr, als Godschale versucht hatte, ihn mit einer Intrige von Catherine weg und zu Belinda zurück zu treiben.
Sicherlich war Godschale nicht in das Komplott eingeweiht gewesen, das Catherine ins Gefängnis gebracht hatte. Solch schmutzige Machenschaften hätten ihn Amt und Titel gekostet. Außerdem hätte er niemals so plumpe Fehler gemacht. Nein, seine Schwächen waren Eitelkeit und unerschütterlicher Glaube an die eigene Klugheit. Insofern konnte er unwissentlich ein Werkzeug von Catherines Mann werden.
Bolitho wußte nicht, wo sich dieser Viscount Somervell zur Zeit aufhielt. Es hieß, er sei im Auftrag des Königs in Nordamerika. Er verdrängte den Gedanken an ihn, denn falls sie sich jemals von Angesicht zu Angesicht begegnen würden, war der Ablauf abzusehen: Bolitho würde ihn fordern. Somervell galt als erfahrener Duellant – doch nur mit Pistolen. Bolitho berührte den alten Degen an seiner Seite. Vielleicht würde ihn ja jemand in Amerika von diesem Schurken befreien.
Godschale reichte ihm ein Glas. »So nachdenklich?« Er zog die Brauen hoch. »Auf die alten Tage, Sir Richard. Und aufkommendes Glück!« Sie tranken.
Bolitho setzte sich und legte den Degen über die ausgestreckten Beine. »Das französische Geschwader, erinnern Sie sich? Es durchbrach unsere Blockade, noch
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