Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Schiff gewesen und Herrick sein Flaggkapitän. Das Schicksal ging manchmal schon seltsame Wege.
Herrick sah auf die Uhr. »Ich bin mit Lord Godschale verabredet.« Er sprach den Namen verächtlich aus, und Bolitho ahnte, wie Herrick den Admiral einschätzte.
»Ich werde ein Geschwader in der Nordsee übernehmen. Patrouillendienst«, berichtete er. »Darin kommandiert Adam meine einzige Fregatte, die
Anemone.«
Er lächelte kurz. »In manchem ändert sich unsere Marine nie, aber ich bin froh, daß ich wenigstens Adam habe.«
Irgendwo schlug eine Uhr, und Herrick fragte nervös: »Dein Flaggschiff wird in Chatham ausgerüstet?« Etwas bedrückte ihn offenbar, das er noch loswerden wollte. »Wie ich dich kenne, wirst du dabei in der Nähe deines Schiffes bleiben. Nimm dir doch bitte die Zeit und besuche meine Frau. Dulcie würde sich freuen.«
»Stimmt was nicht, Thomas?«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber sie ist seit kurzem immer so müde. Sie mutet sich mit ihren Hilfsdiensten zuviel zu, trotzdem kann ich sie nicht davon abbringen. Sie ist eben einsam. Wenn wir Kinder hätten, wenigstens eins, wie du und Lady Belinda …« Er hielt inne. »Aber so ist wohl der Lauf der Welt.«
Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich werde Dulcie besuchen. Catherine will, daß ich unbedingt einen Arzt aufsuche. Vielleicht finde ich bei der Gelegenheit auch einen für Dulcie.«
Herricks blaue Augen wurden härter. »Tut mir leid. An sie habe ich nicht gedacht.« Er sah an Bolitho vorbei. »Vielleicht ist es doch besser, ihr besucht Dulcie nicht.«
Bolitho starrte ihn an. »Steht also Catherine immer noch zwischen uns?«
Verzagt sah Herrick auf. »Es ist nicht meine Schuld«, sagte er, schon im Gehen. »Alles Gute, Richard. Meine Bewunderung für dich kann nichts beeinträchtigen.«
»Bewunderung – ist das alles?« rief Bolitho ihm nach. »Thomas, verdammt noch mal, was ist aus uns geworden?«
Die beiden Kapitäne erhoben sich, und ihre Blicke flogen zwischen den beiden Admiralen hin und her. Bolitho eilte nach draußen.
»Hau ab, du Krüppel!«
Ein junger Mann, zwei Mädchen am Arm, schüttelte drohend die Faust gegen einen Mann, der in einem zerlumpten roten Rock am Straßenrand mit einer Zinnschale bettelte. Die Mädchen kicherten.
»Stopp!« Bolitho hielt das Trio an und ging zu dem Bettler. »In welchem Regiment haben Sie gedient?«
Der Mann sah auf, als habe er nicht richtig gehört. Er besaß nur noch einen Arm, und seine Beine waren schrecklich verdreht. Er sah sehr alt aus, aber Bolitho schätzte ihn auf unter vierzig.
»Im 31. Infanterieregiment, Sir.« Der Krüppel sah an den Gaffern vorbei. »Es war das alte Huntingdonshire-Regiment. Wir wurden als Seesoldaten eingesetzt.« Sein Stolz war schon wieder verflogen.
»Das hier hab’ ich unter Lord Howe abbekommen!«
Bolitho sah den jungen Gecken an. »Wo Sie gedient haben, frage ich besser nicht. Man sieht, was Sie für ein Typ sind.«
»Sie haben kein Recht, mich so zu behandeln!«
»O doch, junger Mann. Gerade ist mein Leutnant mit einem Preßkommando hierher unterwegs. Wenn ich den rufe, werden Sie schnell lernen, was es heißt, für König und Vaterland zu kämpfen.« Das war eine billige Lüge, denn kein Preßkommando hätte es gewagt, diese vornehme Gegend zu durchstreifen. Doch der junge Mann war im Handumdrehen verschwunden, und seine beiden Begleiterinnen konnten ihm nur verwundert nachstarren.
Bolitho warf dem Veteran einige Goldmünzen in die Schale.
»Gott schütze Sie. Was Sie taten, war nicht umsonst.« Ungläubig starrte der Mann auf die Goldmünzen hinab. »Ihr Mut und Ihre Erinnerungen werden Ihnen weiterhelfen.«
Bolitho drehte sich um. Da stand seine Kutsche. Catherine öffnete den Schlag, und er sprang hinein. »Ich dachte immer, ich kenne mich mit Menschen aus«, sagte er, als die Kutsche anfuhr.
»Aber jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Eigentlich verstehe ich nur noch dich ganz.«
Catherine sah aus dem Fenster. Sie wußte, Herrick war in die Admiralität gegangen und sicherlich Bolitho begegnet. Alles weitere, auch den Zwischenfall mit dem jungen Dandy, brauchte ihr keiner zu erklären. Sanft sagte sie: »Dann wollen wir das Beste daraus machen.«
Tom Ozzard lehnte sich an eine steinerne Balustrade, um sich kurz auszuruhen. Er war seit Stunden unterwegs und hatte öfter die Orientierung verloren, doch sein Ziel stets vor Augen gehabt. Nun holte er tief Atem.
Jetzt war er in dem schäbigen Teil Londons, wo er
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