Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Titel: Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
unter dem Druck des Windes nach vorn. Er neigte sich weiter, zog brechende Wanten und Stagen hinter sich her, und dann rauschte auch der Großmast nach unten und begrub das ganze Deck unter Leinwand und Trümmern. Wahrscheinlich hatte die letzte Breitseite der
Truculent
das besorgt. Doch auch ein einziger Glückstreffer aus einem Achtzehnpfünder reichte aus dafür.
    Bolitho sah Poland ins rauchverschmierte Gesicht. »Jetzt stehen unsere Chancen schon besser, Kapitän.«
    Die Matrosen an den Neunpfündern auf dem Achterdeck jubelten heiser. Allday sah durch den Pulverrauch, daß die erste Fregatte langsam wieder Fahrt aufnahm. Sie lag jetzt an Backbord, ihr Großsegel war aufgetucht, die anderen Segel hatten Kanonenschüsse durchlöchert. Bolitho hatte den Franzosen den Windvorteil genommen. So war das damals auch bei den Saintes gewesen auf ihrem ersten Schiff, der
Phalarope.
Bolitho war immer noch der wagemutige Schiffsführer von damals, trotz seines hohen Ranges.
    Aber die Männer jubelten zu früh. Allday sah nach drüben und packte sein Entermesser fester. Hier kommt die Antwort, dachte er.
    Williams hob seinen Degen und blickte nach achtern. »Feuerklar an Backbord, Sir!«
    »Feuer!«
    Das Schiff wankte und legte sich unter dem Rückstoß der Kanonen auf die Seite. Der Wind trug ihren Pulverrauch zum Feind hinüber. Dann hörte es sich an, als rutsche die
Truculent
über ein Riff oder grabe sich in eine Sandbank. Aber es war die Breitseite des Gegners, die ihren Rumpf traf und durchs Rigg jaulte. Blöcke und gebrochenes Tauwerk fielen auf die Netze. Ein Seesoldat in rotem Rock stürzte vom Großmast und blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen im Netz über einer Stückmannschaft hängen.
    Bolitho hustete wegen des Rauchs. Was Inskip unten in der Dunkelheit des Orlopdecks wohl machte? Die ersten Verwundeten wurden schon nach unten getragen, aber wie durch ein Wunder war nichts Wichtiges am Schiff getroffen worden. Nur Jenour schien aus der Fassung gebracht, er wischte sich immer wieder das Gesicht.
    »Kapitän Poland, bitte ändern Sie Kurs und laufen Sie genau West«, befahl Bolitho. Aber als er durch den dünner werdenden Rauch nach ihm sah, lag Poland auf den Planken, ein Bein seltsam verbogen unter sich. Mit beiden Händen griff er sich an die Kehle, als wolle er das Blut stillen, das wie rote Farbe über seine Uniform strömte. Bolitho kniete sich neben ihn. »Bringen Sie ihn nach unten!« Aber Poland schüttelte so heftig den Kopf, daß Bolitho die offene Halswunde sah, die ihm ein Splitter gerissen hatte. Er starb, erstickte beim Sprechen an seinem eigenen Blut. »Gott verdamme Varian, den feigen Hund!« waren seine letzten Worte.
    Leutnant Munro stand bleich neben Bolitho. »Ihr Kapitän ist gefallen«, sagte dieser. »Melden Sie das dem Ersten!«
    Selbst noch im Tod blickten Polands Augen zornig und ablehnend. Er war mit einem schrecklichen Fluch auf den Lippen gestorben.
    Bolitho sah zu Williams nach vorn – er stand da ohne Hut, mit dem Degen noch in der Faust. Ein Matrose bedeckte die Leiche Polands mit einem Stück Segeltuch.
    Bolitho erhob sich und trat an die Querreling. Das Schiff erzitterte unter ihm, als eine weitere Breitseite abgefeuert wurde.
    »Varian ist wirklich ein feiger Hund«, murmelte er.
    »Die Korvette, Sir!« meldete Jenour. »Sie greift uns an.«
    »Danke, ich seh’s. Melden Sie’s der Steuerbordbatterie und auch den Seesoldaten. Niemand wird dieses Schiff entern. Mein Befehl gilt: niemand!«
    Jenour gab den Befehl weiter an einen Gehilfen des Bootsmannes. Er hatte einen Bolitho gesehen, den er bisher nicht kannte: einen Mann ohne Furcht, ohne Haß, aber auch ohne Hoffnung. Jetzt suchte Bolithos Blick in den Rauchschwaden seinen Bootssteurer Allday. Jenour sah, wie die beiden einander zulächelten, als die Kanonen feuerten. Wie zwei uralte Freunde, die wußten, was kam, ohne sich davor zu furchten.
    Bolitho hatte Jenours Erstaunen bemerkt, vergaß es aber sofort.
    Die Kanonen fingen sich beim Rückstoß in ihren Brocktauen. Wie Besessene stürzten sich die Kanoniere über sie, wischten die rauchenden Rohre aus, rammten Pulverladungen hinein und schließlich die bösartig glänzenden Kugeln. Pulverrauch hatte ihre nackten Rücken geschwärzt, und trotz des scharfen Windes schnitt Schweiß dünne Rinnsale in den Schmutz.
    Blut färbte das Deck, das von den französischen Kanonenkugeln tiefe Risse davongetragen hatte. Einer der riesigen Achtzehnpfünder war umgestürzt und

Weitere Kostenlose Bücher