Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
glänzten fleckenlos weiß gekalkt. Sie waren wachsam, denn viele Gepreßte sahen jetzt die letzte Chance zu fliehen, ehe das Schiff in See ging und der Drill begann. Keen hatte mehr Verständnis für sie als andere Kommandanten, doch er wußte auch, daß ihm an der Sollstärke noch immer fünfzig Mann fehlten. Bewaffnete Doppelposten würden jeden abhalten, sein Heil in der Flucht zu suchen.
»Wache an die Pforte!« Die neue glänzende Admiralsbarkasse dümpelte leicht im geschützten Wasser des Hafens. Allday saß im Heck, seine Männer trugen neue karierte Hemden und geteerte Hüte.
Bolitho verhielt für einen letzten Rundblick. Ein Schiff ohne Vergangenheit, ohne Erinnerungen. Ein ganz neuer Anfang. Seltsam, das alles.
»In den nächsten Tagen erhalten Sie neue Befehle«, sagte er zu seinem Flaggkapitän. »Bitte nutzen Sie die Zeit, um aus den Leuten eine Besatzung zu machen, auf die wir beide stolz sein können.«
Keen lächelte, obwohl er Bolitho nicht gern gehen sah. »Ich hatte ja den besten Lehrer.«
Bolitho drehte sich um – und merkte, daß er schwankte. Keen packte seinen Arm und hielt ihn fest. Einem Seesoldaten fiel vor Schreck die Muskete aus der Hand, sie krachte aufs Deck. Der Leutnant der Wache fuhr ihn heftig an, das gab Bolitho Zeit, sich zu fangen.
»Ihr Auge, Sir Richard?« Keen war entsetzt über Bolithos hoffnungslose Miene.
»Catherine weiß nichts davon. Aber mir kann niemand mehr helfen.«
Keen stand zwischen ihm und der Ehrenwache, die ihre Pfeifen bereits zum Signal angesetzt hatten. »Ich wette, sie weiß es längst.« Vergeblich suchte er nach tröstenden, helfenden Worten.
»Vielleicht.« Bolitho grüßte die Wache und kletterte vorsichtig die Jakobsleiter hinunter, bis Allday ihm unten in die Barkasse half.
Keen folgte ihnen mit Blicken, bis sie hinter einem ankernden Truppentransporter verschwunden waren. Die
Black Prince
war ein sauer verdientes Kommando für ihn, dienstältere Kapitäne hätten wer weiß was gegeben, es zu bekommen. Ein neues Schiff zu kommandieren, über dem bald die Flagge eines Vizeadmirals wehen würde, brachte jedem Ehre. Warum also fühlte er sich so niedergeschlagen? Ihn störte das Gelächter achtern. Den Gästen an Bord waren die Menschen, die hier dienten, herzlich gleichgültig.
Ein Leutnant stellte sich ihm in den Weg. »Verzeihung, Sir, aber ein Leichter mit Vorräten für uns legt gerade drüben ab!«
»Sind Sie der wachhabende Offizier, Mr. Flemyng? Dann machen Sie Ihre Arbeit auch richtig, Sir, oder ich suche mir jemand anderen!«
Der junge Leutnant schien vor Scham zu versinken, und Keen bereute seinen Ausbruch sofort.
»Tut mir leid, Mr. Flemyng. Mein Rang hat Privilegien, aber sein Mißbrauch ist unverzeihlich.« Erstaunt sah ihn der Offizier an.
»Fragen Sie mich ruhig, sonst verstehen wir uns nicht, wenn es darauf ankommt. Aber in dem Fall informieren Sie bitte den Bootsmann und die Wache, daß Vorräte an Bord kommen.«
Der Leutnant verschwand, und Keen sah nach oben. Die Mastspitzen zeichneten winzige Kreise in den Himmel. Möwen ließen sich im Landwind treiben, spähten hungrig nach Abfallen aus.
Das also war sein Schiff!
Die leichte Kutsche, bis hoch an die Fenster mit Schlamm bespritzt, hielt auf dem Hügel an. Die beiden Pferde dampften in der Kälte.
Yovell ließ die Sitzkante los, an die er sich geklammert hatte.
»Diese Wege sind eine Schande, Mylady.«
Catherine ließ die Scheibe herunter, steckte trotz des Regens, der sie von Chatham hierher begleitet hatte, den Kopf ins Freie und fragte Matthew, den Kutscher: »Wo sind wir?«
Mit hochrotem Gesicht beugte sich der junge Mann herab und antwortete: »Da drüben das Haus muß es sein, Mylady. Andere gibt es hier nicht.« Er blies die Backen auf. »Ziemlich einsam, wenn Sie mich fragen.«
»Du kennst dich hier aus?«
Er lächelte. »Gewiß, Mylady. Vor vierzehn Jahren war ich hier als Junge. Mit meinem Großvater, der auch schon bei den Bolithos diente.«
»Was hattet ihr in Kent zu tun?«
»Sir Richard war hierher abkommandiert worden, um Schmuggler zu jagen. Er schickte mich aber bald zurück nach Falmouth, als es für mich zu gefährlich wurde.«
Catherine zog den Kopf zurück. »Fahren wir weiter!« Sie schloß das Fenster, und die Kutsche rollte durch Schlamm und Pfützen hügelabwärts. In der Ferne schimmerte der Medway. Die Straße von Chatham folgte dem Fluß, der mal in großen Bögen und Windungen durch das Land floß, mal wie ein See zu ruhen
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