Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
schien, doch immer den Himmel spiegelte, silbern oder bleigrau mit jagenden Wolken. Catherine schauderte, als sie weit draußen Hulks liegen sah, düster und mastlos, sicherlich überquellend von Kriegsgefangenen. Das erinnerte sie an ihre eigene Zeit im Gefängnis.
Bolitho war jetzt an Bord seines neuen Flaggschiffes. Wie lange würde er noch in England bleiben können? Sie nahm sich vor, jede Minute mit ihm zu genießen. Darüber vergaß sie fast den Zweck ihrer Reise und die Sorge, ob Herricks Frau sie überhaupt empfangen würde. Sie dachte zurück an die Beisetzung Somervells auf einem Londoner Friedhof. Niemand hatte mit ihr gesprochen außer dem Pfarrer, den sie aber nicht kannte. Am Grab stand neben ihr nur Bolitho. In der Nähe am Straßenrand warteten Kutschen, aus denen sie Gesichter beobachteten, um dann später über sie zu hecheln. Ein Mann lehnte an der Mauer und war davongeeilt, als sie den Friedhof verließen: Somervells Steward.
Matthew bremste und bog langsam in eine gut gepflasterte Allee ein. Catherine spürte plötzlich ihr Herz schlagen. Sie kam uneingeladen zu Dulcie Herrick und ohne sich angemeldet zu haben. Aber eine Anmeldung hätte vielleicht eine Absage zur Folge gehabt. Es bedrückte sie, daß Herrick sie nie akzeptieren würde. Und Dulcie?
Yovell sah nach draußen. »Ein schönes Haus. Was für ein Aufstieg!« Damit spielte er wohl auf Herricks Herkunft an. Bolithos ältester Freund stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Nur seine Ehe mit der über alles geliebten Dulcie war ihm Trost und Ansporn gewesen bei seinem schwierigen Aufstieg in der Navy. Als Yovell Catherine aus der Kutsche half, empfand sie Verbitterung. Bolitho hatte seinem Freund immer und überall zur Seite gestanden – hätte Herrick jetzt nicht loyal und tapfer zu ihnen beiden stehen müssen?
»Bleiben Sie beim Kutscher«, bat sie Yovell. »Mein Besuch wird wahrscheinlich nicht lange dauern.«
Matthew, der Kutscher, sagte: »Ich bringe die Pferde auf den Hof, da gibt’s hoffentlich Wasser für sie.«
Catherine stieg die Treppe hinauf, hob einen glänzenden Messingklopfer und ließ ihn gegen das Holz fallen. Fast sofort wurde ihr geöffnet. Sie trat in einen dunklen Flur.
Als die beiden Männer in den Hof fuhren, hob Yovell entsetzt beide Hände. Zwei Stallburschen reinigten dort eine Kutsche, die kurz vor ihnen angekommen sein mußte. »Die gehört Lady Belinda, ich kenne sie! Ich muß ins Haus, zu Lady Catherine. Sir Richard würde es mir nie verzeihen …«
»Laß sie allein«, sagte der Kutscher. »Du kannst nicht zwei Stuten gleichzeitig reiten.« Er grinste. »Ich setze jederzeit auf Lady Catherine!«
Yovell sah ihn tadelnd an und ging zur Hintertür.
Nach dem Lärm der Reise wirkte der Flur auf Catherine fast gespenstisch ruhig und kühl wie ein Grab. »Ist deine Herrin zu Hause?« fragte sie die kleine Dienerin, die ihr geöffnet hatte.
»Ja, Madam. Aber sie liegt zu Bett.« Das Mädchen deutete verlegen auf eine Tür. »Und sie hat Besuch!« Catherine lächelte.
»Bitte melde mich an. Catherine Somervell – Lady Somervell.«
Sie trat in ein Vorzimmer und sah draußen zwei Männer im Garten arbeiten. Als der Regen heftiger wurde, suchten sie Schutz unter dem Fenster. Dabei merkte Catherine, daß die beiden spanisch miteinander sprachen.
Eine Tür in der Halle schlug, Schritte ertönten, die Tür zum Vorzimmer wurde aufgestoßen – und Belinda stand ihr gegenüber.
Catherina war noch nie mit ihr zusammengetroffen, erkannte sie aber sofort an der Ähnlichkeit mit ihrem Porträt in Falmouth. »Ich wußte nicht, daß Sie hier sind«, begann sie, »sonst …«
»Sonst wären Sie geblieben, wo Sie hingehören«, unterbrach Belinda sie mit großer Schärfe. »Wie können Sie es wagen, hierher zu kommen!« Ihr Blick wanderte abschätzig über Catherine und blieb an ihrem Trauerkleid aus schwarzer, glanzloser Seide hängen.
»Wie unverschämt von Ihnen, Trauer zu tragen!«
Von weitem hörte man schwaches Rufen.
»Ihre Meinung darüber ist mir herzlich gleichgültig.« Catherine geriet allmählich in Zorn. »Dies ist nicht Ihr Haus, und ich besuche die Hausherrin, wenn sie es erlaubt!«
»Ich verbitte mir diesen Ton!« fuhr Belinda auf.
»Das sagen ausgerechnet Sie?« Catherine blieb hart. »Sie haben sich mit einem schurkischen Betrüger zusammengetan, um mich zu beseitigen: meinem Mann! Nein, ich trauere nicht um Somervell, sondern um Richards Freund.«
»Ich werde Richard niemals freigeben!«
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