Maulende Rebellen, beleidigte Zicken
es als wichtig empfunden wird, es anderen recht zu machen, ist es auch wichtig, sich um andere zu kümmern und ihnen zu helfen - sogar, wenn das dazu führt, dass gesellschaftliche Normen verletzt werden. Das Argument ist dann oft: »Aber es war doch gut gemeint.«
Auf der vierten Stufe steht die Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen im Mittelpunkt. Es geht nicht mehr nur darum, es den Menschen
recht zu machen, die dem eigenen sozialen Gefüge angehören (also Familie und Freunde), sondern darum, die moralischen Normen zu erfüllen, die für das Funktionieren der Gesellschaft als Ganzes notwendig sind. Menschen erfüllen ihre gesellschaftlichen Pflichten, um Schuldgefühle zu vermeiden und die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Viele Jugendliche und Erwachsene entwickeln sich nie über diese Stufe hinaus.
Um sich von einer Ebene auf die andere zu bewegen, ist es wichtig, moralische Normen zu hinterfragen und Autoritäten nicht blind zu folgen. Leider hat es oft den Anschein, dass Jugendliche, die sich auf der dritten Ebene befanden, wieder auf die erste Ebene der moralischen Entwicklung zurückgefallen sind, wenn sie beginnen, Werte und Normen zu hinterfragen, denn in der Übergangsphase gelingt es ihnen noch nicht, ihre eigenen Normen logisch zu begründen oder konsequent danach zu handeln. Sie scheinen moralisch orientierungslos, denn sie verhalten sich nach ihren persönlichen Ansichten und Emotionen, nicht nach Prinzipien. Ihre Moral ist von eher willkürlicher Natur. Was heute als moralisch richtig angesehen wird, kann morgen falsch sein. Sie haben Schwierigkeiten, zu definieren, was sie als ihre Pflichten ansehen, und zu begründen, warum es wichtig ist, diese zu erfüllen. Im ungünstigsten Fall verbleiben Jugendliche in dieser Übergangsstufe. Ansonsten kehren sie zu einem Verhalten zurück, das mit der konventionellen oder sogar mit der postkonventionellen Ebene in Einklang ist.
Nur eine Minderheit von Erwachsenen erreicht die letzte, die postkonventionelle Ebene der moralischen Entwicklung, und das meist erst nach dem 20. Lebensjahr. Auf dieser Ebene lösen sich Menschen von den etablierten Normen und Regeln und orientieren sich in ihrem Verhalten vielmehr daran, was gerecht, nützlich, vernünftig und respektvoll ist. Ein Stufenmodell impliziert oft, dass die höheren Stufen erstrebenswerter oder besser sind als die niedrigeren. In diesem Fall ist das nicht unbedingt richtig. Stellen Sie sich vor, dass sich die Mehrheit der Erwachsenen in einer Gesellschaft auf der postkonventionellen Ebene befindet. Damit würden gesellschaftliche Normen und Regeln nur sporadisch eingehalten, Konventionen würden sich ständig ändern und Stabilität wäre nahezu unmöglich.
Auf der fünften Stufe akzeptieren Menschen gewisse gesellschaftliche Normen, weil sie diese als gerecht und hilfreich empfinden. Andere Regeln werden hinterfragt und nur eingehalten, wenn es eine befriedigende Begründung gibt.
Auf der sechsten Stufe wird das Verhalten nicht mehr von Regeln und Normen gelenkt, sondern von abstrakten ethischen Prinzipien, die das Gemeinwohl und das harmonische Miteinander in den Mittelpunkt stellen.
Kohlbergs Modell erklärt, warum es für Jugendliche wichtig ist, die elterlichen Werte und die gesellschaftlichen Normen zu hinterfragen. Dieses Modell sollte aber nicht unkritisch akzeptiert werden. Teilweise können sich auch Kinder im Grundschulalter schon auf der konventionellen Ebene befinden. Außerdem scheint dieses Modell Frauen zu benachteiligen, weil sie im Allgemeinen mehr Wert auf Beziehungen, Fürsorge, und Mitgefühl legen. Sie verletzen unter Umständen gesellschaftliche Normen, weil ihnen der Dialog und das Miteinander in ihrem sozialen Netzwerk wichtiger sind als abstrakte gesellschaftliche Pflichten. Damit entwickeln sie sich praktisch nie über die dritte Stufe hinaus. Männer dagegen scheinen oft eher pflichtbewusst und gerechtigkeitsorientiert zu sein. Damit würden sie sich auf der vierten Stufe befinden. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass moralische Urteile oft situationsgebunden sind und es damit schwer ist, Menschen einer bestimmten Stufe zuzuordnen.
Eltern sollten das Ziel haben, Ihrem Teenager dabei zu helfen, die konventionelle Ebene der moralischen Entwicklung zu erreichen. Dazu gehört einerseits, dass sie ihm ihre Werte mitteilen und vorleben, und andererseits, dass sie seinen Entwicklungsprozess, und damit sein Hinterfragen, so gut wie möglich unterstützen.
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