Maulende Rebellen, beleidigte Zicken
zwischen Frank und Susanne. Die Familie erinnert sich gut an die Zeit, als Sophia - ohne zu fragen - das neue Fahrrad des Nachbarsjungen nahm und damit gegen einen Baum fuhr. Sophia blieb bis auf ein paar Schrammen unverletzt, aber das Fahrrad war ziemlich verbogen. Ihr Vater kaufte dem Jungen ein neues Fahrrad und die Familie sprach nie wieder davon, dass Sophia ein Fahrrad gestohlen hatte. Ähnliche Erfahrungen häuften sich über die Jahre. Mittlerweile geht Sophia jeden Tag mit Freunden aus, kommt nach Hause, wann sie will, und hilft nur im Haushalt mit, wenn ihr Vater sie dafür bezahlt. Ihre Mutter vermutet, dass Sophia regelmäßig trinkt. Frank glaubte das nicht, bis zu jenem Abend, an dem das Krankenhaus anrief, um den Eltern mitzuteilen, dass Sophia mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert wurde. Frank und Susanne fingen daraufhin endlich an, miteinander über Sophia zu reden. Susanne hatte ein Buch gelesen, das sich mit natürlichen und logischen Konsequenzen befasste. Frank erklärte sich bereit, diese neuen Strategien auszuprobieren.
Als Sophia aus dem Krankenhaus nach Hause kam, erwartete sie, dass mit einer Entschuldigung alles wieder beim Alten sein würde. Sie war geschockt (Phase eins: neue Erfahrung), als sie sah, dass ihre Eltern ihr Zimmer umgeräumt hatten. Der Fernseher war weg, der Computer stand im Wohnzimmer. Und sie bekam ihren eigenen Wohnungsschlüssel nicht zurück. An der Wand hing eine Tafel mit einer Liste von Aufgaben und entsprechenden Konsequenzen, sollte sie diese Aufgaben nicht erledigen. In Panik rief sie ihre beste Freundin an (Phase zwei: Analysieren der Situation), die ihr bestätigte, dass sich nicht wirklich etwas verändert hatte, sondern dass ihre Eltern ihr all ihre Sachen schnell zurückgeben würden und alles beim Alten bleiben würde (Phase drei: Erklärungsversuch, leider ohne die Offenheit und Vorurteilslosigkeit, die das Lernen von neuen Dingen erlauben würde). Sophia blieb ein paar Tage lang zu Hause und kam immer pünktlich zurück, wenn sie wegging. Aber sie erledigte keine der Aufgaben, die auf der Tafel standen. Als sie dann am folgenden Sonntag nach ihrem Taschengeld fragte, erklärte Frank, dass sie diese Woche durch ihre Entscheidung, nicht im Haushalt
mitzuhelfen, klar und deutlich kommuniziert hatte, dass sie kein Taschengeld brauchte - und er ihre Entscheidung respektierte. Sophia blieb der Mund offen stehen (Phase eins: neue Erfahrung). Dann fing sie an zu weinen (etwas, das ihren Vater sonst immer dazu brachte, ihr das zu geben, was sie wollte). Aber Frank teilte ihr nur seine Hoffnung mit, dass sie sich nächste Woche anders entscheiden würde. Nach einer erneuten Beratung mit ihrer Freundin (Phase zwei) entschied sich Sophia, ihre Eltern auf die Probe zu stellen (Phase drei: Erklärungsansatz und Plan, diesen zu testen). Glücklicherweise hatten die Eltern mittlerweile Kontakt zu einem Therapeuten aufgenommen, sonst wären die nächsten Wochen noch anstrengender geworden. Sophia stellte den Computer zurück in ihr Zimmer (Phase vier: Testen der Hypothese »Alles wird beim Alten bleiben«), nur um festzustellen, dass der Computer am nächsten Tag ganz verschwunden war. Nachdem sie vor Wut regelrecht in die Luft gegangen war, bot Frank ihr an, dass sie sich selbst beruhigen könne oder dass er einen Krankenwagen rufen könne, um sie in die Klinik einzuweisen, bevor sie sich verletzte (Phase eins: neue Erfahrung). Es folgten vier Wochen, in denen Sophia ihre Eltern immer wieder auf die Probe stellte, bis sie glaubte, dass diese sich wirklich verändert hatten und dass ihr altes Verhalten nicht mehr die gewünschten Resultate haben würde (Phase drei: Erklärungsansatz, der dieses Mal berücksichtigt, dass die neuen Erfahrungen tatsächlich neu und anders sind). Danach wurde es etwas einfacher - nicht wirklich einfach, aber wenigstens etwas einfacher. Sophia ging ein paarmal mit den Eltern zur Therapie. Die Familie entwarf einen Vertrag, der Grenzen, Konsequenzen und Erwartungen ausführlich und klar darlegte. Sophia versuchte immer wieder einmal, ihr altes Verhalten durchzusetzen, merkte aber schnell, dass durch das neue System von Konsequenzen sie diejenige war, die einen Preis für ihre dummen Entscheidungen bezahlen musste und sie ihren Eltern zwar Mitgefühl entlocken konnte, diese sie aber die Konsequenzen alleine ausbaden ließen (Phase vier: Testen des neuen Erklärungsansatzes).
David Kolb entwickelte vier Lernstile, die jeweils zwei der
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