Maurice, der Kater
würden uns Denkmäler setzen, wenn sie genauer darüber
nachdächten.«
»Einige der Orte schienen sehr arm zu sein, Maurice«, erwiderte der
Junge skeptisch.
»Dann sind es genau die Orte, die keine Kriege brauchen.«
»Gefährliche Bohnen meint, es ist…« Der Junge konzentrierte sich,
und seine Lippen bewegten sich, bevor er das Wort formulierte; er schien
die Aussprache erst auszuprobieren, »…un-e-thisch.«
»Das stimmt, Maurice«, quiekte eine Stimme.
»Gefährliche Bohnen meint, wir sol ten nicht von Gaunereien leben.«
»Hör mal, Pfirsiche, Gaunereien entsprechen dem menschlichen
Wesen«, sagte Maurice. »Menschen sind so erpicht darauf, sich
gegenseitig hereinzulegen, dass sie Regierungen wählen, die das für sie
erledigen. Wir geben ihnen was für ihr Geld. Sie bekommen eine
schreckliche Rattenplage, sie bezahlen einen Flötenspieler, die Ratten
folgen dem Jungen aus der Stadt, hoppeldihopp, Ende der Rattenplage,
al e sind froh, dass niemand mehr ins Mehl pinkelt, der Stadtrat wird von
der dankbaren Bevölkerung wiedergewählt, ein Fest findet statt. Gut
investiertes Geld, wenn du mich fragst.«
»Aber es gibt doch nur eine Plage, weil wir das die Leute glauben
lassen«, sagte Pfirsiche.
»Nun, meine Liebe, Regierungen geben ihr Geld noch für etwas
anderes aus, nämlich Rattenfänger, verstehst du? Eigentlich weiß ich gar
nicht, warum ich mich mit euch abgebe.«
»Ja, aber wir…«
Sie merkten, dass die Kutsche angehalten hatte. Draußen im Regen
klirrte das Pferdegeschirr. Dann schwankte die Kutsche ein wenig, und
man hörte das Geräusch laufender Füße.
Eine Stimme aus der Dunkelheit fragte: »Sind irgendwelche Zauberer
dort drin?«
Die verwirrten Fahrgäste musterten sich gegenseitig.
»Nein«, erwiderte der Junge, und das »Nein« bedeutete so viel wie:
»Warum fragst du?«
»Was ist mit Hexen ?«, fragte die Stimme.
»Nein, keine Hexen«, antwortete der Junge.
»Na schön. Sitzen dort drin schwer bewaffnete Trolle in Diensten der
Postkutschengesellschaft?«
»Das bezweifle ich«, sagte Maurice.
Eine Pause schloss sich an, gefüllt vom Geräusch des Regens.
»In Ordnung, was ist mit Werwölfen?«, erkundigte sich die Stimme
schließlich.
»Wie sehen die aus?«, fragte der Junge.
»Äh, sie sehen ganz normal aus, bis ihnen plötzlich Haare und Zähne
und große Pranken wachsen, und dann springen sie durchs Fenster und
greifen an«, entgegnete die Stimme.
»Wir al e haben Haare und Zähne«, sagte der Junge.
»Dann seid ihr also Werwölfe?«
»Nein.«
»Gut, gut.« Wieder folgte eine Pause, als ginge der verborgene Sprecher
eine Liste durch. »Na schön, Vampire«, sagte er. »Es ist eine ziemlich
feuchte Nacht, bei solch einem Wetter wol t ihr sicher nicht fliegen. Sind
Vampire da drin?«
»Nein!«, sagte der Junge. »Wir sind vollkommen harmlos!«
»Meine Güte«, brummte Maurice und kroch unter den Sitz.
»Da bin ich erleichtert«, sagte die Stimme. »Heutzutage kann man nicht
vorsichtig genug sein. Es treiben sich viele seltsame Leute herum.« Eine
Armbrust wurde durchs Fenster geschoben, und die Stimme fügte hinzu:
»Geld und Leben. Heute ist beides inbegriffen.«
»Das Geld ist im Koffer auf dem Dach.«
Maurices Stimme erklang in Bodenhöhe.
Der Straßenräuber blickte ins dunkle Innere der Kutsche. »Wer hat das
gesagt?«, fragte er.
»Äh, ich«, erwiderte der Junge.
»Ich habe nicht gesehen, wie sich deine Lippen bewegt haben, Junge!«
»Das Geld ist auf dem Dach. Im Koffer. Aber an deiner Stelle würde
ich nicht…«
»Ha, na klar würdest du’s nicht«, sagte der Straßenräuber. Sein
maskiertes Gesicht verschwand vom Fenster.
Der Junge griff nach der Flöte, die auf dem Sitz neben ihm lag. Es war
eine einfache Blechflöte.
»Spiel ›bewaffneter Raubüberfal ‹, Junge«, sagte Maurice ruhig.
»Könnten wir ihm nicht einfach das Geld geben?«, erklang die Stimme
von Pfirsiche. Es war eine kleine Stimme.
»Geld ist dazu da, dass die Leute es uns geben«, sagte Maurice streng.
Sie hörten ein Kratzen, als der Straßenräuber den Koffer vom Dach
der Kutsche zog.
Der Junge setzte gehorsam die Flöte an die Lippen und blies einige
Töne. Darauf folgten unterschiedliche Geräusche: ein Knacken, ein
Pochen, ein Schlurfen und dann ein sehr kurzer Schrei.
Als es still wurde, kletterte Maurice auf den Sitz und streckte den Kopf
durchs Fenster in die dunkle, regnerische Nacht. »Gut«, sagte er. »Du
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